den Packen und Laden im Flur, zum letzten An- fassen bereit; der Hofschulze schaute unruhig nach der zweiten und nach der improvisirten dritten Braut- jungfer sich um; denn wenn diese nicht vor der Er- scheinung des Bräutigams den Platz, den ihnen der Tag anwies, nahmen, so war es nach seinem Ge- fühle um die ganze Feierlichkeit geschehen. Doch da kamen die beiden Erwarteten eben noch zur rech- ten Zeit die Treppe herunter und stellten sich zu der Ersten, als der Wagen gerade auf den freien Platz vor dem Hause hinauslenkte.
Gleichmüthig im Gesicht, wie alle Hauptperso- nen dieses Festes, stieg der Bräutigam vom Wa- gen. Junge Leute, seine nächsten Freunde, folgten ihm bebändert und bestraußt. Er schritt langsam auf die Braut zu, die auch jetzt noch nicht empor- sah, sondern immerfort nur spann und spann. Nun befestigte ihm die erste Brautjungfer den gro- ßen Strauß, worin Sternblume und Salbei duf- teten, vorn auf der Brust an dem hochzeitlichen Kleide. Der Bräutigam empfing diesen Schmuck, ohne zu danken, denn der Dank gehörte nicht zum Herkommen. Er reichte seinem Schwiegervater still- schweigend die Hand, dann sie eben so stillschweigend
den Packen und Laden im Flur, zum letzten An- faſſen bereit; der Hofſchulze ſchaute unruhig nach der zweiten und nach der improviſirten dritten Braut- jungfer ſich um; denn wenn dieſe nicht vor der Er- ſcheinung des Bräutigams den Platz, den ihnen der Tag anwies, nahmen, ſo war es nach ſeinem Ge- fühle um die ganze Feierlichkeit geſchehen. Doch da kamen die beiden Erwarteten eben noch zur rech- ten Zeit die Treppe herunter und ſtellten ſich zu der Erſten, als der Wagen gerade auf den freien Platz vor dem Hauſe hinauslenkte.
Gleichmüthig im Geſicht, wie alle Hauptperſo- nen dieſes Feſtes, ſtieg der Bräutigam vom Wa- gen. Junge Leute, ſeine nächſten Freunde, folgten ihm bebändert und beſtraußt. Er ſchritt langſam auf die Braut zu, die auch jetzt noch nicht empor- ſah, ſondern immerfort nur ſpann und ſpann. Nun befeſtigte ihm die erſte Brautjungfer den gro- ßen Strauß, worin Sternblume und Salbei duf- teten, vorn auf der Bruſt an dem hochzeitlichen Kleide. Der Bräutigam empfing dieſen Schmuck, ohne zu danken, denn der Dank gehörte nicht zum Herkommen. Er reichte ſeinem Schwiegervater ſtill- ſchweigend die Hand, dann ſie eben ſo ſtillſchweigend
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0071"n="57"/>
den Packen und Laden im Flur, zum letzten An-<lb/>
faſſen bereit; der Hofſchulze ſchaute unruhig nach der<lb/>
zweiten und nach der improviſirten dritten Braut-<lb/>
jungfer ſich um; denn wenn dieſe nicht vor der Er-<lb/>ſcheinung des Bräutigams den Platz, den ihnen der<lb/>
Tag anwies, nahmen, ſo war es nach ſeinem Ge-<lb/>
fühle um die ganze Feierlichkeit geſchehen. Doch da<lb/>
kamen die beiden Erwarteten eben noch zur rech-<lb/>
ten Zeit die Treppe herunter und ſtellten ſich zu<lb/>
der Erſten, als der Wagen gerade auf den freien<lb/>
Platz vor dem Hauſe hinauslenkte.</p><lb/><p>Gleichmüthig im Geſicht, wie alle Hauptperſo-<lb/>
nen dieſes Feſtes, ſtieg der Bräutigam vom Wa-<lb/>
gen. Junge Leute, ſeine nächſten Freunde, folgten<lb/>
ihm bebändert und beſtraußt. Er ſchritt langſam<lb/>
auf die Braut zu, die auch jetzt noch nicht empor-<lb/>ſah, ſondern immerfort nur ſpann und ſpann.<lb/>
Nun befeſtigte ihm die erſte Brautjungfer den gro-<lb/>
ßen Strauß, worin Sternblume und Salbei duf-<lb/>
teten, vorn auf der Bruſt an dem hochzeitlichen<lb/>
Kleide. Der Bräutigam empfing dieſen Schmuck,<lb/>
ohne zu danken, denn der Dank gehörte nicht zum<lb/>
Herkommen. Er reichte ſeinem Schwiegervater ſtill-<lb/>ſchweigend die Hand, dann ſie eben ſo ſtillſchweigend<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[57/0071]
den Packen und Laden im Flur, zum letzten An-
faſſen bereit; der Hofſchulze ſchaute unruhig nach der
zweiten und nach der improviſirten dritten Braut-
jungfer ſich um; denn wenn dieſe nicht vor der Er-
ſcheinung des Bräutigams den Platz, den ihnen der
Tag anwies, nahmen, ſo war es nach ſeinem Ge-
fühle um die ganze Feierlichkeit geſchehen. Doch da
kamen die beiden Erwarteten eben noch zur rech-
ten Zeit die Treppe herunter und ſtellten ſich zu
der Erſten, als der Wagen gerade auf den freien
Platz vor dem Hauſe hinauslenkte.
Gleichmüthig im Geſicht, wie alle Hauptperſo-
nen dieſes Feſtes, ſtieg der Bräutigam vom Wa-
gen. Junge Leute, ſeine nächſten Freunde, folgten
ihm bebändert und beſtraußt. Er ſchritt langſam
auf die Braut zu, die auch jetzt noch nicht empor-
ſah, ſondern immerfort nur ſpann und ſpann.
Nun befeſtigte ihm die erſte Brautjungfer den gro-
ßen Strauß, worin Sternblume und Salbei duf-
teten, vorn auf der Bruſt an dem hochzeitlichen
Kleide. Der Bräutigam empfing dieſen Schmuck,
ohne zu danken, denn der Dank gehörte nicht zum
Herkommen. Er reichte ſeinem Schwiegervater ſtill-
ſchweigend die Hand, dann ſie eben ſo ſtillſchweigend
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/71>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.