Lippen dar. Jauchzend wollte er mit den seinigen sie rühren, da öffnete sich die Thüre und die Braut- jungfer trat mit dem Putze und ihrem Anliegen ein. Die Gestörten traten erschreckt aus einander, Lisbeth zu ihrem Tüchlein, der Jäger, ohne sie an- zusehen, an das Fenster, von wo er dann mit nie- dergeschlagenem Blicke aus dem Zimmer schlich. Denn das Gefühl ist auch darin nur sich selbst gleich, daß es mit dem Bewußtsein der reinsten Tugend die Furcht des lichtscheusten Verbrechens paart. -- Du denkst an das geliebte Mädchen zu- gleich mit deinen Gedanken an Gott, du sagst, wie der Jäger in deinen einsamen Entzückungen: Könnte ich diese Liebe, wie meine beste That, von den Dächern rufen! und dann verläugnest du sie wie Petrus den Herrn der ersten Basenfrage, und rufst, ob man von dir glaube, daß du so thöricht seist? --
Draußen war unter dem Glockengeläute die Musik immer näher gekommen, und jetzt wurde der Brautwagen, gezogen von zwei starken Pferden am andern Ende des Weges, der durch den Eichenkamp leitete, sichtbar. Die erste Brautjungfer stand mit ihrem dicken, zum Theil übelriechenden Strauße ehrbar neben der Braut, die Knechte standen bei
Lippen dar. Jauchzend wollte er mit den ſeinigen ſie rühren, da öffnete ſich die Thüre und die Braut- jungfer trat mit dem Putze und ihrem Anliegen ein. Die Geſtörten traten erſchreckt aus einander, Lisbeth zu ihrem Tüchlein, der Jäger, ohne ſie an- zuſehen, an das Fenſter, von wo er dann mit nie- dergeſchlagenem Blicke aus dem Zimmer ſchlich. Denn das Gefühl iſt auch darin nur ſich ſelbſt gleich, daß es mit dem Bewußtſein der reinſten Tugend die Furcht des lichtſcheuſten Verbrechens paart. — Du denkſt an das geliebte Mädchen zu- gleich mit deinen Gedanken an Gott, du ſagſt, wie der Jäger in deinen einſamen Entzückungen: Könnte ich dieſe Liebe, wie meine beſte That, von den Dächern rufen! und dann verläugneſt du ſie wie Petrus den Herrn der erſten Baſenfrage, und rufſt, ob man von dir glaube, daß du ſo thöricht ſeiſt? —
Draußen war unter dem Glockengeläute die Muſik immer näher gekommen, und jetzt wurde der Brautwagen, gezogen von zwei ſtarken Pferden am andern Ende des Weges, der durch den Eichenkamp leitete, ſichtbar. Die erſte Brautjungfer ſtand mit ihrem dicken, zum Theil übelriechenden Strauße ehrbar neben der Braut, die Knechte ſtanden bei
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Lippen dar. Jauchzend wollte er mit den ſeinigen
ſie rühren, da öffnete ſich die Thüre und die Braut-
jungfer trat mit dem Putze und ihrem Anliegen
ein. Die Geſtörten traten erſchreckt aus einander,
Lisbeth zu ihrem Tüchlein, der Jäger, ohne ſie an-
zuſehen, an das Fenſter, von wo er dann mit nie-
dergeſchlagenem Blicke aus dem Zimmer ſchlich.
Denn das Gefühl iſt auch darin nur ſich ſelbſt
gleich, daß es mit dem Bewußtſein der reinſten
Tugend die Furcht des lichtſcheuſten Verbrechens
paart. — Du denkſt an das geliebte Mädchen zu-
gleich mit deinen Gedanken an Gott, du ſagſt, wie
der Jäger in deinen einſamen Entzückungen: Könnte
ich dieſe Liebe, wie meine beſte That, von den
Dächern rufen! und dann verläugneſt du ſie wie
Petrus den Herrn der erſten Baſenfrage, und rufſt,
ob man von dir glaube, daß du ſo thöricht ſeiſt? —
Draußen war unter dem Glockengeläute die
Muſik immer näher gekommen, und jetzt wurde der
Brautwagen, gezogen von zwei ſtarken Pferden am
andern Ende des Weges, der durch den Eichenkamp
leitete, ſichtbar. Die erſte Brautjungfer ſtand mit
ihrem dicken, zum Theil übelriechenden Strauße
ehrbar neben der Braut, die Knechte ſtanden bei
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/70>, abgerufen am 24.11.2024.
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