Mädchen, die heute sich hingiebt und morgen sich spröde versagt! murrte er ingrimmig und empfand es wie ein scharfes Messer in seinen Eingeweiden, daß er solche Worte sprach. Es fiel ihm nicht ein, daß er ein großer Graf und Lisbeth ein ar- mer Findling sei, daß dieses verlassene Mädchen auch ihr reichstes äußerliches Glück in der Ehe mit ihm finden müsse; in seinen schwärmerischen und wüthenden Gedanken sah er sie hoch über sich. Er war der niedere Schäfer, sie die Prinzessin, die ihn nach Willkühr an sich gezogen hatte, nach Willkühr ihn nun verstieß. In so furchtbarer Gemüthsverfassung, in so bitterer Pein fand er das große Gesetz der Liebe, welches dem Lieben- den ewig seine Stelle zu den Füßen der Gelieb- ten anweiset, und wäre diese eine aus dem Staube hervorgegangene Bäuerin. Habe du die Schätze des Moguls, grüne der Lorbeerkranz des Ruhmes um deine Schläfe, führe du Salomo's geisterbe- herrschenden Ring, kröne dich der Reif der Hoheit, die Geliebte wird, und nicht im abgeschmackten Gleichniß, sondern in der Wahrheit und Wirklich- keit deine Königin seyn, demüthig wirst du den zaubergewaltigen Ring in ihren Schooß legen, der
Mädchen, die heute ſich hingiebt und morgen ſich ſpröde verſagt! murrte er ingrimmig und empfand es wie ein ſcharfes Meſſer in ſeinen Eingeweiden, daß er ſolche Worte ſprach. Es fiel ihm nicht ein, daß er ein großer Graf und Lisbeth ein ar- mer Findling ſei, daß dieſes verlaſſene Mädchen auch ihr reichſtes äußerliches Glück in der Ehe mit ihm finden müſſe; in ſeinen ſchwärmeriſchen und wüthenden Gedanken ſah er ſie hoch über ſich. Er war der niedere Schäfer, ſie die Prinzeſſin, die ihn nach Willkühr an ſich gezogen hatte, nach Willkühr ihn nun verſtieß. In ſo furchtbarer Gemüthsverfaſſung, in ſo bitterer Pein fand er das große Geſetz der Liebe, welches dem Lieben- den ewig ſeine Stelle zu den Füßen der Gelieb- ten anweiſet, und wäre dieſe eine aus dem Staube hervorgegangene Bäuerin. Habe du die Schätze des Moguls, grüne der Lorbeerkranz des Ruhmes um deine Schläfe, führe du Salomo’s geiſterbe- herrſchenden Ring, kröne dich der Reif der Hoheit, die Geliebte wird, und nicht im abgeſchmackten Gleichniß, ſondern in der Wahrheit und Wirklich- keit deine Königin ſeyn, demüthig wirſt du den zaubergewaltigen Ring in ihren Schooß legen, der
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Mädchen, die heute ſich hingiebt und morgen ſich
ſpröde verſagt! murrte er ingrimmig und empfand
es wie ein ſcharfes Meſſer in ſeinen Eingeweiden,
daß er ſolche Worte ſprach. Es fiel ihm nicht
ein, daß er ein großer Graf und Lisbeth ein ar-
mer Findling ſei, daß dieſes verlaſſene Mädchen
auch ihr reichſtes äußerliches Glück in der Ehe
mit ihm finden müſſe; in ſeinen ſchwärmeriſchen
und wüthenden Gedanken ſah er ſie hoch über ſich.
Er war der niedere Schäfer, ſie die Prinzeſſin,
die ihn nach Willkühr an ſich gezogen hatte, nach
Willkühr ihn nun verſtieß. In ſo furchtbarer
Gemüthsverfaſſung, in ſo bitterer Pein fand er
das große Geſetz der Liebe, welches dem Lieben-
den ewig ſeine Stelle zu den Füßen der Gelieb-
ten anweiſet, und wäre dieſe eine aus dem Staube
hervorgegangene Bäuerin. Habe du die Schätze
des Moguls, grüne der Lorbeerkranz des Ruhmes
um deine Schläfe, führe du Salomo’s geiſterbe-
herrſchenden Ring, kröne dich der Reif der Hoheit,
die Geliebte wird, und nicht im abgeſchmackten
Gleichniß, ſondern in der Wahrheit und Wirklich-
keit deine Königin ſeyn, demüthig wirſt du den
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/123>, abgerufen am 24.11.2024.
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