Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Decke fiel. -- Herr! Herr! In den Possen bin ich
alt und grau geworden, und mit den Possen habe
ich mir Recht genommen an einem Schalk und
Sohnesmörder, und mit den Possen folgen mir
meine Landsleute, wohin ich sie haben will, wie
eine Lämmerheerde, und um die Possen verstehen
sie mich, ohne daß wir ein Wort mit einander zu
reden brauchen, also mögen es wohl für Euch da
draußen in Schwabenland Possen seyn, aber für
mich und meines Gleichen sind es keine Possen
nicht. -- Und Herr, ich will jetzo mein Recht
haben und meine Rache an Euch und die Sicher-
heit von wegen der Heimlichkeit. So wahr der
Herr lebt, ich suche das Alles nicht wie ein schlech-
ter und boshafter Mensch, sondern in grausamer
Herzensangst und Unruhe -- wißt Ihr ein ander
Mittel, sagt es an -- aber werden muß mir es;
mein Recht und die Sicherheit, und werden soll
mir es, so wahr uns hier Niemand hört als Gott
und die vier weißen Wände, denn der Frohnbote
hat die Menschen hinweggeschafft vom Hofe und nur
das blöde Vieh brüllt da drunten in seinem Stalle.

Das Saatlaken bewegte sich und eine bleiche,
jungfräuliche Gestalt trat dahinter hervor. Ihr

Decke fiel. — Herr! Herr! In den Poſſen bin ich
alt und grau geworden, und mit den Poſſen habe
ich mir Recht genommen an einem Schalk und
Sohnesmörder, und mit den Poſſen folgen mir
meine Landsleute, wohin ich ſie haben will, wie
eine Lämmerheerde, und um die Poſſen verſtehen
ſie mich, ohne daß wir ein Wort mit einander zu
reden brauchen, alſo mögen es wohl für Euch da
draußen in Schwabenland Poſſen ſeyn, aber für
mich und meines Gleichen ſind es keine Poſſen
nicht. — Und Herr, ich will jetzo mein Recht
haben und meine Rache an Euch und die Sicher-
heit von wegen der Heimlichkeit. So wahr der
Herr lebt, ich ſuche das Alles nicht wie ein ſchlech-
ter und boshafter Menſch, ſondern in grauſamer
Herzensangſt und Unruhe — wißt Ihr ein ander
Mittel, ſagt es an — aber werden muß mir es;
mein Recht und die Sicherheit, und werden ſoll
mir es, ſo wahr uns hier Niemand hört als Gott
und die vier weißen Wände, denn der Frohnbote
hat die Menſchen hinweggeſchafft vom Hofe und nur
das blöde Vieh brüllt da drunten in ſeinem Stalle.

Das Saatlaken bewegte ſich und eine bleiche,
jungfräuliche Geſtalt trat dahinter hervor. Ihr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0148" n="136"/>
Decke fiel. &#x2014; Herr! Herr! In den Po&#x017F;&#x017F;en bin ich<lb/>
alt und grau geworden, und mit den Po&#x017F;&#x017F;en habe<lb/>
ich mir Recht genommen an einem Schalk und<lb/>
Sohnesmörder, und mit den Po&#x017F;&#x017F;en folgen mir<lb/>
meine Landsleute, wohin ich &#x017F;ie haben will, wie<lb/>
eine Lämmerheerde, und um die Po&#x017F;&#x017F;en ver&#x017F;tehen<lb/>
&#x017F;ie mich, ohne daß wir ein Wort mit einander zu<lb/>
reden brauchen, al&#x017F;o mögen es wohl für Euch da<lb/>
draußen in Schwabenland Po&#x017F;&#x017F;en &#x017F;eyn, aber für<lb/>
mich und meines Gleichen &#x017F;ind es keine Po&#x017F;&#x017F;en<lb/>
nicht. &#x2014; Und Herr, ich will jetzo mein Recht<lb/>
haben und meine Rache an Euch und die Sicher-<lb/>
heit von wegen der Heimlichkeit. So wahr der<lb/>
Herr lebt, ich &#x017F;uche das Alles nicht wie ein &#x017F;chlech-<lb/>
ter und boshafter Men&#x017F;ch, &#x017F;ondern in grau&#x017F;amer<lb/>
Herzensang&#x017F;t und Unruhe &#x2014; wißt Ihr ein ander<lb/>
Mittel, &#x017F;agt es an &#x2014; aber werden muß mir es;<lb/>
mein Recht und die Sicherheit, und werden &#x017F;oll<lb/>
mir es, &#x017F;o wahr uns hier Niemand hört als Gott<lb/>
und die vier weißen Wände, denn der Frohnbote<lb/>
hat die Men&#x017F;chen hinwegge&#x017F;chafft vom Hofe und nur<lb/>
das blöde Vieh brüllt da drunten in &#x017F;einem Stalle.</p><lb/>
          <p>Das Saatlaken bewegte &#x017F;ich und eine bleiche,<lb/>
jungfräuliche Ge&#x017F;talt trat dahinter hervor. Ihr<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[136/0148] Decke fiel. — Herr! Herr! In den Poſſen bin ich alt und grau geworden, und mit den Poſſen habe ich mir Recht genommen an einem Schalk und Sohnesmörder, und mit den Poſſen folgen mir meine Landsleute, wohin ich ſie haben will, wie eine Lämmerheerde, und um die Poſſen verſtehen ſie mich, ohne daß wir ein Wort mit einander zu reden brauchen, alſo mögen es wohl für Euch da draußen in Schwabenland Poſſen ſeyn, aber für mich und meines Gleichen ſind es keine Poſſen nicht. — Und Herr, ich will jetzo mein Recht haben und meine Rache an Euch und die Sicher- heit von wegen der Heimlichkeit. So wahr der Herr lebt, ich ſuche das Alles nicht wie ein ſchlech- ter und boshafter Menſch, ſondern in grauſamer Herzensangſt und Unruhe — wißt Ihr ein ander Mittel, ſagt es an — aber werden muß mir es; mein Recht und die Sicherheit, und werden ſoll mir es, ſo wahr uns hier Niemand hört als Gott und die vier weißen Wände, denn der Frohnbote hat die Menſchen hinweggeſchafft vom Hofe und nur das blöde Vieh brüllt da drunten in ſeinem Stalle. Das Saatlaken bewegte ſich und eine bleiche, jungfräuliche Geſtalt trat dahinter hervor. Ihr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/148
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/148>, abgerufen am 21.11.2024.