Agesel. Die Magd hatte wohl von den Einbil- dungen des Schulmeisters vernommen, da sie aber zu den muthvollen Personen ihres Geschlechtes ge- hörte, so fürchtete sie sich nicht vor ihrem Beglei- ter, vielmehr war es ihr lieb, Gesellschaft zu finden. Der Schulmeister seinerseits war erfreut, die Magd zu finden, denn er wollte an ihren Herrn, nicht ihm ein Leid zuzufügen, sondern den Läugner von seinen gesunden Verstandeskräften zu überzeugen. Nachdem er im Allgemeinen über diesen Punct mit der Magd gesprochen hatte, sagte er zu ihr: Es ist ja mein offenbarer Schaden und eine Sache, die mir mein ganzes Brod und den Credit in der Bauerschaft verderben kann, wenn der Küster, der noch dazu ein halber Amtsbruder von mir ist, überall umherläuft und mich bei den Leuten anschwärzt. Deßhalb muß ich ihn nothwendig davon überzeugen, daß ich meine fünf Sinne beisammen habe.
Natürlich, versetzte die Magd. Wenn mich Einer eine Diebin schilt, so muß er auch hören können, warum ich keine Diebin bin.
Nun also! fuhr der Schulmeister eifrig fort. und heute muß es geschehen, denn die Gelegenheit kommt mir nie so günstig wieder.
Ageſel. Die Magd hatte wohl von den Einbil- dungen des Schulmeiſters vernommen, da ſie aber zu den muthvollen Perſonen ihres Geſchlechtes ge- hörte, ſo fürchtete ſie ſich nicht vor ihrem Beglei- ter, vielmehr war es ihr lieb, Geſellſchaft zu finden. Der Schulmeiſter ſeinerſeits war erfreut, die Magd zu finden, denn er wollte an ihren Herrn, nicht ihm ein Leid zuzufügen, ſondern den Läugner von ſeinen geſunden Verſtandeskräften zu überzeugen. Nachdem er im Allgemeinen über dieſen Punct mit der Magd geſprochen hatte, ſagte er zu ihr: Es iſt ja mein offenbarer Schaden und eine Sache, die mir mein ganzes Brod und den Credit in der Bauerſchaft verderben kann, wenn der Küſter, der noch dazu ein halber Amtsbruder von mir iſt, überall umherläuft und mich bei den Leuten anſchwärzt. Deßhalb muß ich ihn nothwendig davon überzeugen, daß ich meine fünf Sinne beiſammen habe.
Natürlich, verſetzte die Magd. Wenn mich Einer eine Diebin ſchilt, ſo muß er auch hören können, warum ich keine Diebin bin.
Nun alſo! fuhr der Schulmeiſter eifrig fort. und heute muß es geſchehen, denn die Gelegenheit kommt mir nie ſo günſtig wieder.
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Ageſel. Die Magd hatte wohl von den Einbil-
dungen des Schulmeiſters vernommen, da ſie aber
zu den muthvollen Perſonen ihres Geſchlechtes ge-
hörte, ſo fürchtete ſie ſich nicht vor ihrem Beglei-
ter, vielmehr war es ihr lieb, Geſellſchaft zu
finden. Der Schulmeiſter ſeinerſeits war erfreut,
die Magd zu finden, denn er wollte an ihren
Herrn, nicht ihm ein Leid zuzufügen, ſondern den
Läugner von ſeinen geſunden Verſtandeskräften zu
überzeugen. Nachdem er im Allgemeinen über dieſen
Punct mit der Magd geſprochen hatte, ſagte er zu
ihr: Es iſt ja mein offenbarer Schaden und eine Sache,
die mir mein ganzes Brod und den Credit in der
Bauerſchaft verderben kann, wenn der Küſter, der
noch dazu ein halber Amtsbruder von mir iſt, überall
umherläuft und mich bei den Leuten anſchwärzt.
Deßhalb muß ich ihn nothwendig davon überzeugen,
daß ich meine fünf Sinne beiſammen habe.
Natürlich, verſetzte die Magd. Wenn mich
Einer eine Diebin ſchilt, ſo muß er auch hören
können, warum ich keine Diebin bin.
Nun alſo! fuhr der Schulmeiſter eifrig fort.
und heute muß es geſchehen, denn die Gelegenheit
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/156>, abgerufen am 23.11.2024.
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