Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

sondern kämpfen und siegen. Trübsal ist ihr Orden
und Jammer ihr geheimes Zeichen. Traun, ein
Kind kann über die Leiden Oswald's und Lisbeth's
lachen, die nicht kindischer erfunden werden moch-
ten! Aber ohne diese kindischen Leiden wären zwei
Seelen von solcher Tiefe, Schwere, Süße und
Feurigkeit wohl wieder von einander gekommen,
statt daß sie in den Qualen der Einbildung sich
das rechte Wort und den wahren Gruß gegeben
haben, an dem sie einander über alle Zeit hinaus
erkennen werden.

Die junge Dame Clelia war durch diese Rede
des Diaconus in ein Gebiet geführt worden, in
welchem ihr nicht heimisch zu Muthe seyn konnte.
Anfangs meinte sie für sich, sie müsse sich etwas
schämen, denn mit ihrem Cavalier aus den öster-
reichischen Erblanden hatte sie freilich während des
Brautstandes mehr gelacht als geweint. Nachher
meinte sie, die Gelehrten sprächen zuweilen nur,
um etwas zu sagen; und endlich verstand sie den
Geistlichen gar nicht mehr. -- Als er mit seiner
Auseinandersetzung zu Ende war, rief sie: Schade,
daß die beiden lieben Leute einander nicht heirathen
können!


ſondern kämpfen und ſiegen. Trübſal iſt ihr Orden
und Jammer ihr geheimes Zeichen. Traun, ein
Kind kann über die Leiden Oswald’s und Lisbeth’s
lachen, die nicht kindiſcher erfunden werden moch-
ten! Aber ohne dieſe kindiſchen Leiden wären zwei
Seelen von ſolcher Tiefe, Schwere, Süße und
Feurigkeit wohl wieder von einander gekommen,
ſtatt daß ſie in den Qualen der Einbildung ſich
das rechte Wort und den wahren Gruß gegeben
haben, an dem ſie einander über alle Zeit hinaus
erkennen werden.

Die junge Dame Clelia war durch dieſe Rede
des Diaconus in ein Gebiet geführt worden, in
welchem ihr nicht heimiſch zu Muthe ſeyn konnte.
Anfangs meinte ſie für ſich, ſie müſſe ſich etwas
ſchämen, denn mit ihrem Cavalier aus den öſter-
reichiſchen Erblanden hatte ſie freilich während des
Brautſtandes mehr gelacht als geweint. Nachher
meinte ſie, die Gelehrten ſprächen zuweilen nur,
um etwas zu ſagen; und endlich verſtand ſie den
Geiſtlichen gar nicht mehr. — Als er mit ſeiner
Auseinanderſetzung zu Ende war, rief ſie: Schade,
daß die beiden lieben Leute einander nicht heirathen
können!


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0195" n="183"/>
&#x017F;ondern kämpfen und &#x017F;iegen. Trüb&#x017F;al i&#x017F;t ihr Orden<lb/>
und Jammer ihr geheimes Zeichen. Traun, ein<lb/>
Kind kann über die Leiden Oswald&#x2019;s und Lisbeth&#x2019;s<lb/>
lachen, die nicht kindi&#x017F;cher erfunden werden moch-<lb/>
ten! Aber ohne die&#x017F;e kindi&#x017F;chen Leiden wären zwei<lb/>
Seelen von &#x017F;olcher Tiefe, Schwere, Süße und<lb/>
Feurigkeit wohl wieder von einander gekommen,<lb/>
&#x017F;tatt daß &#x017F;ie in den Qualen der Einbildung &#x017F;ich<lb/>
das rechte Wort und den wahren Gruß gegeben<lb/>
haben, an dem &#x017F;ie einander über alle Zeit hinaus<lb/>
erkennen werden.</p><lb/>
          <p>Die junge Dame Clelia war durch die&#x017F;e Rede<lb/>
des Diaconus in ein Gebiet geführt worden, in<lb/>
welchem ihr nicht heimi&#x017F;ch zu Muthe &#x017F;eyn konnte.<lb/>
Anfangs meinte &#x017F;ie für &#x017F;ich, &#x017F;ie mü&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich etwas<lb/>
&#x017F;chämen, denn mit ihrem Cavalier aus den ö&#x017F;ter-<lb/>
reichi&#x017F;chen Erblanden hatte &#x017F;ie freilich während des<lb/>
Braut&#x017F;tandes mehr gelacht als geweint. Nachher<lb/>
meinte &#x017F;ie, die Gelehrten &#x017F;prächen zuweilen nur,<lb/>
um etwas zu &#x017F;agen; und endlich ver&#x017F;tand &#x017F;ie den<lb/>
Gei&#x017F;tlichen gar nicht mehr. &#x2014; Als er mit &#x017F;einer<lb/>
Auseinander&#x017F;etzung zu Ende war, rief &#x017F;ie: Schade,<lb/>
daß die beiden lieben Leute einander nicht heirathen<lb/>
können!</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[183/0195] ſondern kämpfen und ſiegen. Trübſal iſt ihr Orden und Jammer ihr geheimes Zeichen. Traun, ein Kind kann über die Leiden Oswald’s und Lisbeth’s lachen, die nicht kindiſcher erfunden werden moch- ten! Aber ohne dieſe kindiſchen Leiden wären zwei Seelen von ſolcher Tiefe, Schwere, Süße und Feurigkeit wohl wieder von einander gekommen, ſtatt daß ſie in den Qualen der Einbildung ſich das rechte Wort und den wahren Gruß gegeben haben, an dem ſie einander über alle Zeit hinaus erkennen werden. Die junge Dame Clelia war durch dieſe Rede des Diaconus in ein Gebiet geführt worden, in welchem ihr nicht heimiſch zu Muthe ſeyn konnte. Anfangs meinte ſie für ſich, ſie müſſe ſich etwas ſchämen, denn mit ihrem Cavalier aus den öſter- reichiſchen Erblanden hatte ſie freilich während des Brautſtandes mehr gelacht als geweint. Nachher meinte ſie, die Gelehrten ſprächen zuweilen nur, um etwas zu ſagen; und endlich verſtand ſie den Geiſtlichen gar nicht mehr. — Als er mit ſeiner Auseinanderſetzung zu Ende war, rief ſie: Schade, daß die beiden lieben Leute einander nicht heirathen können!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/195
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/195>, abgerufen am 24.11.2024.