stehen weiß, wie ein Fels. Meinen liebsten Freund aber vor einem unsäglichen Elende zu bewahren, wie ich es nun einmal ansehe, das ist recht eigent- lich meine Amtspflicht und mein Recht. Ich werde demnach, was ich angekündiget habe, durchzuführen wissen.
Aber was wollen Sie denn mit ihm beginnen? Er ist doch mündig! rief der Diaconus ereifert.
Leider! versetzte der Oberamtmann. Es giebt Leute, die wenigstens bis zum dreißigsten Jahre unter Curatel stehen sollten. Indessen ist auch ein Mündiger anzufassen. Was ich beginnen will? Ihm jeden nur möglichen Grund vortragen, die Verbindung ihm unleidlich machen; Urlaub mir verlängern lassen, mit ihm auf sein Schloß reisen, Oheime, Vettern und Basen in Bewegung setzen, die Sache vor den König bringen, seine Standes- genossen aufregen, es darauf ankommen lassen, daß er mir die Thüre weiset, dann doch nicht gehen, immerfort einsprechen, den Einspruch noch zwischen die Verlobung werfen, ja selbst am Altare, wenn es nothwendig ist, einen Scandal bereiten. O ein Mann und Freund kann viel, wenn er nur beharrlich will. So wahr ich der Oberamtmann
ſtehen weiß, wie ein Fels. Meinen liebſten Freund aber vor einem unſäglichen Elende zu bewahren, wie ich es nun einmal anſehe, das iſt recht eigent- lich meine Amtspflicht und mein Recht. Ich werde demnach, was ich angekündiget habe, durchzuführen wiſſen.
Aber was wollen Sie denn mit ihm beginnen? Er iſt doch mündig! rief der Diaconus ereifert.
Leider! verſetzte der Oberamtmann. Es giebt Leute, die wenigſtens bis zum dreißigſten Jahre unter Curatel ſtehen ſollten. Indeſſen iſt auch ein Mündiger anzufaſſen. Was ich beginnen will? Ihm jeden nur möglichen Grund vortragen, die Verbindung ihm unleidlich machen; Urlaub mir verlängern laſſen, mit ihm auf ſein Schloß reiſen, Oheime, Vettern und Baſen in Bewegung ſetzen, die Sache vor den König bringen, ſeine Standes- genoſſen aufregen, es darauf ankommen laſſen, daß er mir die Thüre weiſet, dann doch nicht gehen, immerfort einſprechen, den Einſpruch noch zwiſchen die Verlobung werfen, ja ſelbſt am Altare, wenn es nothwendig iſt, einen Scandal bereiten. O ein Mann und Freund kann viel, wenn er nur beharrlich will. So wahr ich der Oberamtmann
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[201/0213]
ſtehen weiß, wie ein Fels. Meinen liebſten Freund
aber vor einem unſäglichen Elende zu bewahren,
wie ich es nun einmal anſehe, das iſt recht eigent-
lich meine Amtspflicht und mein Recht. Ich werde
demnach, was ich angekündiget habe, durchzuführen
wiſſen.
Aber was wollen Sie denn mit ihm beginnen?
Er iſt doch mündig! rief der Diaconus ereifert.
Leider! verſetzte der Oberamtmann. Es giebt
Leute, die wenigſtens bis zum dreißigſten Jahre
unter Curatel ſtehen ſollten. Indeſſen iſt auch
ein Mündiger anzufaſſen. Was ich beginnen will?
Ihm jeden nur möglichen Grund vortragen, die
Verbindung ihm unleidlich machen; Urlaub mir
verlängern laſſen, mit ihm auf ſein Schloß reiſen,
Oheime, Vettern und Baſen in Bewegung ſetzen,
die Sache vor den König bringen, ſeine Standes-
genoſſen aufregen, es darauf ankommen laſſen,
daß er mir die Thüre weiſet, dann doch nicht
gehen, immerfort einſprechen, den Einſpruch noch
zwiſchen die Verlobung werfen, ja ſelbſt am Altare,
wenn es nothwendig iſt, einen Scandal bereiten.
O ein Mann und Freund kann viel, wenn er nur
beharrlich will. So wahr ich der Oberamtmann
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/213>, abgerufen am 24.11.2024.
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