seinem Oheim im Osnabrück'schen abstatte, denn an diesem elenden Orte könne er es nicht länger aushalten.
So endete demnach der süße Friede der Flit- terwochen und es war noch keine Versöhnung er- folgt, als man sich zu Tische setzte. Gemahl und Gemahlin sprachen daher auch nicht, sondern sahen stumm auf ihre Teller. Was endlich die Haus- frau betrifft, so hatte diese wirklich das hochrothe Antlitz und die glänzenden Augen, von welchen Clelia gesprochen hatte, und welche unwiderleglich anzeigen, daß eine Wirthin sich sehnt, wieder un- gestört in ihrer stillen Häuslichkeit zu leben. Sie war die gastfreiste Frau von der Welt, aber die Einladungen des Diaconus, die von ihm ohne Rücksicht auf Raum und Grenzen des kleinen Hauswesens ausgegangen waren, hatten ihr eine Last aufgebürdet, unter welcher sich selbst der Sinn einer Baucis geheimen Mißgefühls nicht würde haben enthalten können.
Man stand auf und wünschte einander gute Nacht. Vor dem Fortgehen sagte aber der Ober- amtmann zum Diaconus: Unbegreiflich ist es mir, wie Sie, Herr Pastor, die Parthei eines Mäd-
ſeinem Oheim im Osnabrück’ſchen abſtatte, denn an dieſem elenden Orte könne er es nicht länger aushalten.
So endete demnach der ſüße Friede der Flit- terwochen und es war noch keine Verſöhnung er- folgt, als man ſich zu Tiſche ſetzte. Gemahl und Gemahlin ſprachen daher auch nicht, ſondern ſahen ſtumm auf ihre Teller. Was endlich die Haus- frau betrifft, ſo hatte dieſe wirklich das hochrothe Antlitz und die glänzenden Augen, von welchen Clelia geſprochen hatte, und welche unwiderleglich anzeigen, daß eine Wirthin ſich ſehnt, wieder un- geſtört in ihrer ſtillen Häuslichkeit zu leben. Sie war die gaſtfreiſte Frau von der Welt, aber die Einladungen des Diaconus, die von ihm ohne Rückſicht auf Raum und Grenzen des kleinen Hausweſens ausgegangen waren, hatten ihr eine Laſt aufgebürdet, unter welcher ſich ſelbſt der Sinn einer Baucis geheimen Mißgefühls nicht würde haben enthalten können.
Man ſtand auf und wünſchte einander gute Nacht. Vor dem Fortgehen ſagte aber der Ober- amtmann zum Diaconus: Unbegreiflich iſt es mir, wie Sie, Herr Paſtor, die Parthei eines Mäd-
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ſeinem Oheim im Osnabrück’ſchen abſtatte, denn
an dieſem elenden Orte könne er es nicht länger
aushalten.
So endete demnach der ſüße Friede der Flit-
terwochen und es war noch keine Verſöhnung er-
folgt, als man ſich zu Tiſche ſetzte. Gemahl und
Gemahlin ſprachen daher auch nicht, ſondern ſahen
ſtumm auf ihre Teller. Was endlich die Haus-
frau betrifft, ſo hatte dieſe wirklich das hochrothe
Antlitz und die glänzenden Augen, von welchen
Clelia geſprochen hatte, und welche unwiderleglich
anzeigen, daß eine Wirthin ſich ſehnt, wieder un-
geſtört in ihrer ſtillen Häuslichkeit zu leben. Sie
war die gaſtfreiſte Frau von der Welt, aber die
Einladungen des Diaconus, die von ihm ohne
Rückſicht auf Raum und Grenzen des kleinen
Hausweſens ausgegangen waren, hatten ihr eine
Laſt aufgebürdet, unter welcher ſich ſelbſt der Sinn
einer Baucis geheimen Mißgefühls nicht würde
haben enthalten können.
Man ſtand auf und wünſchte einander gute
Nacht. Vor dem Fortgehen ſagte aber der Ober-
amtmann zum Diaconus: Unbegreiflich iſt es mir,
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/217>, abgerufen am 24.11.2024.
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