Weg zu erkennen, den die Geschlechter der Erde wandeln sollen, denn vom Herzen ist alles Größte auf Erden ausgeschritten. Moses sah an das Elend seines Volkes und führete es hinweg; Chri- stus wollte sein göttliches Licht nicht für sich be- halten, sondern in überströmender Liebe gab er es seinen Brüdern; nach dem heiligen Grabe lechzete die durstige Brust der Kreuzfahrer, Luther that mit seinem Herzen die tiefe Frage nach der ewi- gen Seligkeit, vor welche sich schmauchende Kirchen- kerzen gestellt hatten, die von Meßgewändern und Weihrauchwolken verhüllt war.
Wenn ich aber das viel gemißbrauchte und deßhalb übel berufene Wort brauche, so weißt du, daß ich damit nicht den schlaffen, von der Empfin- delei getauften Muskel meine, der in einer Fluth matter Thränen schwimmt. Das volle, starke Herz meine ich, vom Athem Gottes und göttlicher Nothwendigkeiten durchweht und begei- stet. Ich meine das Herz, welches das schöne Weib des Kopfes ist. Von ihm wird es befruch- tet und giebt die Kraft seines Mannes und Herrn wieder als göttliches Kind mit tiefen welterlösen- den Augen. Dieses Herz erscheint den Schwachen
Weg zu erkennen, den die Geſchlechter der Erde wandeln ſollen, denn vom Herzen iſt alles Größte auf Erden ausgeſchritten. Moſes ſah an das Elend ſeines Volkes und führete es hinweg; Chri- ſtus wollte ſein göttliches Licht nicht für ſich be- halten, ſondern in überſtrömender Liebe gab er es ſeinen Brüdern; nach dem heiligen Grabe lechzete die durſtige Bruſt der Kreuzfahrer, Luther that mit ſeinem Herzen die tiefe Frage nach der ewi- gen Seligkeit, vor welche ſich ſchmauchende Kirchen- kerzen geſtellt hatten, die von Meßgewändern und Weihrauchwolken verhüllt war.
Wenn ich aber das viel gemißbrauchte und deßhalb übel berufene Wort brauche, ſo weißt du, daß ich damit nicht den ſchlaffen, von der Empfin- delei getauften Muskel meine, der in einer Fluth matter Thränen ſchwimmt. Das volle, ſtarke Herz meine ich, vom Athem Gottes und göttlicher Nothwendigkeiten durchweht und begei- ſtet. Ich meine das Herz, welches das ſchöne Weib des Kopfes iſt. Von ihm wird es befruch- tet und giebt die Kraft ſeines Mannes und Herrn wieder als göttliches Kind mit tiefen welterlöſen- den Augen. Dieſes Herz erſcheint den Schwachen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0321"n="309"/>
Weg zu erkennen, den die Geſchlechter der Erde<lb/>
wandeln ſollen, denn vom Herzen iſt alles Größte<lb/>
auf Erden ausgeſchritten. Moſes ſah an das<lb/>
Elend ſeines Volkes und führete es hinweg; Chri-<lb/>ſtus wollte ſein göttliches Licht nicht für ſich be-<lb/>
halten, ſondern in überſtrömender Liebe gab er es<lb/>ſeinen Brüdern; nach dem heiligen Grabe lechzete<lb/>
die durſtige Bruſt der Kreuzfahrer, Luther that<lb/>
mit ſeinem Herzen die tiefe Frage nach der ewi-<lb/>
gen Seligkeit, vor welche ſich ſchmauchende Kirchen-<lb/>
kerzen geſtellt hatten, die von Meßgewändern und<lb/>
Weihrauchwolken verhüllt war.</p><lb/><p>Wenn ich aber das viel gemißbrauchte und<lb/>
deßhalb übel berufene Wort brauche, ſo weißt du,<lb/>
daß ich damit nicht den ſchlaffen, von der Empfin-<lb/>
delei getauften Muskel meine, der in einer<lb/>
Fluth matter Thränen ſchwimmt. Das volle,<lb/>ſtarke Herz meine ich, vom Athem Gottes und<lb/>
göttlicher Nothwendigkeiten durchweht und begei-<lb/>ſtet. Ich meine das Herz, welches das ſchöne<lb/>
Weib des Kopfes iſt. Von ihm wird es befruch-<lb/>
tet und giebt die Kraft ſeines Mannes und Herrn<lb/>
wieder als göttliches Kind mit tiefen welterlöſen-<lb/>
den Augen. Dieſes Herz erſcheint den Schwachen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[309/0321]
Weg zu erkennen, den die Geſchlechter der Erde
wandeln ſollen, denn vom Herzen iſt alles Größte
auf Erden ausgeſchritten. Moſes ſah an das
Elend ſeines Volkes und führete es hinweg; Chri-
ſtus wollte ſein göttliches Licht nicht für ſich be-
halten, ſondern in überſtrömender Liebe gab er es
ſeinen Brüdern; nach dem heiligen Grabe lechzete
die durſtige Bruſt der Kreuzfahrer, Luther that
mit ſeinem Herzen die tiefe Frage nach der ewi-
gen Seligkeit, vor welche ſich ſchmauchende Kirchen-
kerzen geſtellt hatten, die von Meßgewändern und
Weihrauchwolken verhüllt war.
Wenn ich aber das viel gemißbrauchte und
deßhalb übel berufene Wort brauche, ſo weißt du,
daß ich damit nicht den ſchlaffen, von der Empfin-
delei getauften Muskel meine, der in einer
Fluth matter Thränen ſchwimmt. Das volle,
ſtarke Herz meine ich, vom Athem Gottes und
göttlicher Nothwendigkeiten durchweht und begei-
ſtet. Ich meine das Herz, welches das ſchöne
Weib des Kopfes iſt. Von ihm wird es befruch-
tet und giebt die Kraft ſeines Mannes und Herrn
wieder als göttliches Kind mit tiefen welterlöſen-
den Augen. Dieſes Herz erſcheint den Schwachen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/321>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.