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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792.

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ich auch thue. Darüber geht auch nichts.
Wenn so ein kleines Wesen ausgeschlafen hat,
und nun gestillt ist, und liegt einem da im
Schoose, und fängt an zu girren vor Lust und
sich zu regen vor Lust, und fängt an zu lachen
und zu scherzen mit der Mutter, die ihm alles,
alles ist: -- Ach, Sylli! weiß es, was die
Mutter; weiß es, was es selbst ist? Nichts
weiß es. Aber es hängt an der Mutter, und
hat so Recht, so unaussprechlich Recht, an
ihr zu hangen! Sage, liebe Sylli; wenn das
süße holde Wesen so vor Dir lag unter Deinen
Augen, und hinaufschaute, und hinaufreichte
mit allen seinen Gliedern; Dich hatte und
Dich suchte; unbegreiflich Dir dankte, unbe-
greiflich Dich liebte: wenn Du es denn an
Dich drücktest und an Dich herztest, falteten
beym Umfassen sich Deine Hände nicht von
selbst; Deine Augen, hatten sie einen andern
offenen Weg als nach dem Himmel, und konn-
test Du das beten lassen? Mir deucht, wenn das
Vater Unser nicht schon da gewesen wäre,
ich hätte es hundert und hundert mal erfunden!

G 2

ich auch thue. Daruͤber geht auch nichts.
Wenn ſo ein kleines Weſen ausgeſchlafen hat,
und nun geſtillt iſt, und liegt einem da im
Schooſe, und faͤngt an zu girren vor Luſt und
ſich zu regen vor Luſt, und faͤngt an zu lachen
und zu ſcherzen mit der Mutter, die ihm alles,
alles iſt: — Ach, Sylli! weiß es, was die
Mutter; weiß es, was es ſelbſt iſt? Nichts
weiß es. Aber es haͤngt an der Mutter, und
hat ſo Recht, ſo unausſprechlich Recht, an
ihr zu hangen! Sage, liebe Sylli; wenn das
ſuͤße holde Weſen ſo vor Dir lag unter Deinen
Augen, und hinaufſchaute, und hinaufreichte
mit allen ſeinen Gliedern; Dich hatte und
Dich ſuchte; unbegreiflich Dir dankte, unbe-
greiflich Dich liebte: wenn Du es denn an
Dich druͤckteſt und an Dich herzteſt, falteten
beym Umfaſſen ſich Deine Haͤnde nicht von
ſelbſt; Deine Augen, hatten ſie einen andern
offenen Weg als nach dem Himmel, und konn-
teſt Du das beten laſſen? Mir deucht, wenn das
Vater Unſer nicht ſchon da geweſen waͤre,
ich haͤtte es hundert und hundert mal erfunden!

G 2
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[99/0137] ich auch thue. Daruͤber geht auch nichts. Wenn ſo ein kleines Weſen ausgeſchlafen hat, und nun geſtillt iſt, und liegt einem da im Schooſe, und faͤngt an zu girren vor Luſt und ſich zu regen vor Luſt, und faͤngt an zu lachen und zu ſcherzen mit der Mutter, die ihm alles, alles iſt: — Ach, Sylli! weiß es, was die Mutter; weiß es, was es ſelbſt iſt? Nichts weiß es. Aber es haͤngt an der Mutter, und hat ſo Recht, ſo unausſprechlich Recht, an ihr zu hangen! Sage, liebe Sylli; wenn das ſuͤße holde Weſen ſo vor Dir lag unter Deinen Augen, und hinaufſchaute, und hinaufreichte mit allen ſeinen Gliedern; Dich hatte und Dich ſuchte; unbegreiflich Dir dankte, unbe- greiflich Dich liebte: wenn Du es denn an Dich druͤckteſt und an Dich herzteſt, falteten beym Umfaſſen ſich Deine Haͤnde nicht von ſelbſt; Deine Augen, hatten ſie einen andern offenen Weg als nach dem Himmel, und konn- teſt Du das beten laſſen? Mir deucht, wenn das Vater Unſer nicht ſchon da geweſen waͤre, ich haͤtte es hundert und hundert mal erfunden! G 2

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Zitationshilfe: Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/137>, abgerufen am 24.11.2024.