Verzeihen Sie, meine liebenswürdige Cusi- ne -- zuerst diese etwas vertraulichere Anrede, wegen der mich Clerdon, den ich Onkel nen- nen darf, entschuldigen mag; -- verzeihen Sie, holde Cläre, wenn ich Ihnen bringe, was Sie nicht gefodert haben. Es ist der Ver- such eines Schülers, der von seinem Meister gern erfahren möchte, ob er ihn genug verstan- den hat, und der, von Schüchternheit und Ei- telkeit in gleichem Maaße geängstigt, gern einen Dritten ins Spiel bringt, mit dem er sich decken, oder hinter den er sich verbergen könne.
Sokrates, der Jugendfreund, soll mich vertreten; soll mich unter seine Flügel nehmen.
Zu diesem kam ein Jüngling, mit Namen
XVI. Allwill an Claͤre.
Den 30ten Maͤrz.
Verzeihen Sie, meine liebenswuͤrdige Cuſi- ne — zuerſt dieſe etwas vertraulichere Anrede, wegen der mich Clerdon, den ich Onkel nen- nen darf, entſchuldigen mag; — verzeihen Sie, holde Claͤre, wenn ich Ihnen bringe, was Sie nicht gefodert haben. Es iſt der Ver- ſuch eines Schuͤlers, der von ſeinem Meiſter gern erfahren moͤchte, ob er ihn genug verſtan- den hat, und der, von Schuͤchternheit und Ei- telkeit in gleichem Maaße geaͤngſtigt, gern einen Dritten ins Spiel bringt, mit dem er ſich decken, oder hinter den er ſich verbergen koͤnne.
Sokrates, der Jugendfreund, ſoll mich vertreten; ſoll mich unter ſeine Fluͤgel nehmen.
Zu dieſem kam ein Juͤngling, mit Namen
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0209"n="171"/><divn="2"><head><hirendition="#b"><hirendition="#aq">XVI.</hi><lb/>
Allwill an Claͤre.</hi></head><lb/><dateline><hirendition="#et">Den 30ten Maͤrz.</hi></dateline><lb/><p><hirendition="#in">V</hi>erzeihen Sie, meine liebenswuͤrdige <hirendition="#g">Cuſi-<lb/>
ne</hi>— zuerſt dieſe etwas vertraulichere Anrede,<lb/>
wegen der mich Clerdon, den ich <hirendition="#g">Onkel</hi> nen-<lb/>
nen darf, entſchuldigen mag; — verzeihen<lb/>
Sie, holde Claͤre, wenn ich Ihnen bringe,<lb/>
was Sie nicht gefodert haben. Es iſt der Ver-<lb/>ſuch eines Schuͤlers, der von ſeinem Meiſter<lb/>
gern erfahren moͤchte, ob er ihn genug verſtan-<lb/>
den hat, und der, von Schuͤchternheit und Ei-<lb/>
telkeit in gleichem Maaße geaͤngſtigt, gern einen<lb/>
Dritten ins Spiel bringt, mit dem er ſich decken,<lb/>
oder hinter den er ſich verbergen koͤnne.</p><lb/><p>Sokrates, der <hirendition="#g">Jugendfreund</hi>, ſoll mich<lb/>
vertreten; ſoll mich unter ſeine Fluͤgel nehmen.</p><lb/><p>Zu dieſem kam ein Juͤngling, mit Namen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[171/0209]
XVI.
Allwill an Claͤre.
Den 30ten Maͤrz.
Verzeihen Sie, meine liebenswuͤrdige Cuſi-
ne — zuerſt dieſe etwas vertraulichere Anrede,
wegen der mich Clerdon, den ich Onkel nen-
nen darf, entſchuldigen mag; — verzeihen
Sie, holde Claͤre, wenn ich Ihnen bringe,
was Sie nicht gefodert haben. Es iſt der Ver-
ſuch eines Schuͤlers, der von ſeinem Meiſter
gern erfahren moͤchte, ob er ihn genug verſtan-
den hat, und der, von Schuͤchternheit und Ei-
telkeit in gleichem Maaße geaͤngſtigt, gern einen
Dritten ins Spiel bringt, mit dem er ſich decken,
oder hinter den er ſich verbergen koͤnne.
Sokrates, der Jugendfreund, ſoll mich
vertreten; ſoll mich unter ſeine Fluͤgel nehmen.
Zu dieſem kam ein Juͤngling, mit Namen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/209>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.