Theages, glühend von Begierde, in seinem Umgange Weisheit zu lernen.
Um ihn zu prüfen, that der Mann mit dem Genius seinem Verlangen Widerstand. Er rieth ihm, sich an einen unter den vielen be- rühmten Männern zu wenden, welche den Vortheil in ihrereigenenGewalt hätten, womit sie andern Menschen fortzuhelfen wüßten; und nicht wie ereinem Genius, ohne den er nichts ver- möchte, unterworfen wären.
Des Sokrates Widerstand machte den Jüng- ling traurig. Ach, sagte er zu seinem Vater Demodokus, in dessen Begleitung er gekom- men war, und der für ihn das Wort führte: Sokrates treibt nur sein Spiel mit uns, indem er diese Dinge redet; denn ich kenne einige, die mit mir entweder gleiches Alters, oder auch noch etwas älter sind als ich, welche, ehe sie mit diesem Umgang hatten, nichts taugende Leute waren; nachdem sie aber in seine Gesellschaft
Theages, gluͤhend von Begierde, in ſeinem Umgange Weisheit zu lernen.
Um ihn zu pruͤfen, that der Mann mit dem Genius ſeinem Verlangen Widerſtand. Er rieth ihm, ſich an einen unter den vielen be- ruͤhmten Maͤnnern zu wenden, welche den Vortheil in ihrereigenenGewalt haͤtten, womit ſie andern Menſchen fortzuhelfen wuͤßten; und nicht wie ereinem Genius, ohne den er nichts ver- moͤchte, unterworfen waͤren.
Des Sokrates Widerſtand machte den Juͤng- ling traurig. Ach, ſagte er zu ſeinem Vater Demodokus, in deſſen Begleitung er gekom- men war, und der fuͤr ihn das Wort fuͤhrte: Sokrates treibt nur ſein Spiel mit uns, indem er dieſe Dinge redet; denn ich kenne einige, die mit mir entweder gleiches Alters, oder auch noch etwas aͤlter ſind als ich, welche, ehe ſie mit dieſem Umgang hatten, nichts taugende Leute waren; nachdem ſie aber in ſeine Geſellſchaft
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[172/0210]
Theages, gluͤhend von Begierde, in ſeinem
Umgange Weisheit zu lernen.
Um ihn zu pruͤfen, that der Mann mit
dem Genius ſeinem Verlangen Widerſtand.
Er rieth ihm, ſich an einen unter den vielen be-
ruͤhmten Maͤnnern zu wenden, welche den
Vortheil in ihrer eigenen Gewalt
haͤtten, womit ſie andern Menſchen
fortzuhelfen wuͤßten; und nicht wie
er einem Genius, ohne den er nichts ver-
moͤchte, unterworfen waͤren.
Des Sokrates Widerſtand machte den Juͤng-
ling traurig. Ach, ſagte er zu ſeinem Vater
Demodokus, in deſſen Begleitung er gekom-
men war, und der fuͤr ihn das Wort fuͤhrte:
Sokrates treibt nur ſein Spiel mit uns, indem
er dieſe Dinge redet; denn ich kenne einige,
die mit mir entweder gleiches Alters, oder auch
noch etwas aͤlter ſind als ich, welche, ehe ſie
mit dieſem Umgang hatten, nichts taugende Leute
waren; nachdem ſie aber in ſeine Geſellſchaft
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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/210>, abgerufen am 24.11.2024.
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