Dich gereicht werden sollte, nicht besser vorbe- reitet seyn, als ich es war. Mir war sehr wohl gewesen unter den Waldbecks; es ist eine so schlichte wackere Menschenart! Vater, Mut- ter, Töchter, Söhne sind, an Güte und Treue, einer wie der andere, und doch abste- chender von Character, als man es sonst fin- det, weil von dieser Seite nichts an ihnen ge- modelt, sondern nur gerade zu auf Rechtschaf- fenheit und Tüchtigkeit, als etwas, wozu je- der Character sich wohl bequemen müsse, ge- arbeitet worden ist. So war der Mann er- zogen worden, so die Frau; und so erziehen sie nun wieder ihre Kinder, ohne rechts oder links zu sehen.
Während der Krankheit der Frau, wo ich bey den Leuten wie zu Hause wurde, konnte ich das erst so recht von nahem besehen und ei- genst zu Herzen nehmen. Heute früh kamen nun die zwey älteren Töchter, Friederike und Malchen, die schon lange sehr an mir hiengen, und jetzt ihr Leben für mich ließen, und sagten
Dich gereicht werden ſollte, nicht beſſer vorbe- reitet ſeyn, als ich es war. Mir war ſehr wohl geweſen unter den Waldbecks; es iſt eine ſo ſchlichte wackere Menſchenart! Vater, Mut- ter, Toͤchter, Soͤhne ſind, an Guͤte und Treue, einer wie der andere, und doch abſte- chender von Character, als man es ſonſt fin- det, weil von dieſer Seite nichts an ihnen ge- modelt, ſondern nur gerade zu auf Rechtſchaf- fenheit und Tuͤchtigkeit, als etwas, wozu je- der Character ſich wohl bequemen muͤſſe, ge- arbeitet worden iſt. So war der Mann er- zogen worden, ſo die Frau; und ſo erziehen ſie nun wieder ihre Kinder, ohne rechts oder links zu ſehen.
Waͤhrend der Krankheit der Frau, wo ich bey den Leuten wie zu Hauſe wurde, konnte ich das erſt ſo recht von nahem beſehen und ei- genſt zu Herzen nehmen. Heute fruͤh kamen nun die zwey aͤlteren Toͤchter, Friederike und Malchen, die ſchon lange ſehr an mir hiengen, und jetzt ihr Leben fuͤr mich ließen, und ſagten
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Dich gereicht werden ſollte, nicht beſſer vorbe-
reitet ſeyn, als ich es war. Mir war ſehr
wohl geweſen unter den Waldbecks; es iſt eine
ſo ſchlichte wackere Menſchenart! Vater, Mut-
ter, Toͤchter, Soͤhne ſind, an Guͤte und
Treue, einer wie der andere, und doch abſte-
chender von Character, als man es ſonſt fin-
det, weil von dieſer Seite nichts an ihnen ge-
modelt, ſondern nur gerade zu auf Rechtſchaf-
fenheit und Tuͤchtigkeit, als etwas, wozu je-
der Character ſich wohl bequemen muͤſſe, ge-
arbeitet worden iſt. So war der Mann er-
zogen worden, ſo die Frau; und ſo erziehen
ſie nun wieder ihre Kinder, ohne rechts oder
links zu ſehen.
Waͤhrend der Krankheit der Frau, wo ich
bey den Leuten wie zu Hauſe wurde, konnte ich
das erſt ſo recht von nahem beſehen und ei-
genſt zu Herzen nehmen. Heute fruͤh kamen
nun die zwey aͤlteren Toͤchter, Friederike und
Malchen, die ſchon lange ſehr an mir hiengen,
und jetzt ihr Leben fuͤr mich ließen, und ſagten
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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/238>, abgerufen am 21.11.2024.
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