Allwill! Sie wurden dennoch nicht weiser; und so mußten Sie bald nur desto thörichter, desto unglücklicher werden. Es kann nicht anders seyn, die unbesonnene Heftigkeit, wo- mit Sie überall sich anwerfen, so vielfach sich zertrennen, muß die ungereimteste Verwirrung in Ihrem Wesen verursachen, der gänzlichen Zerrüttung es immer näher bringen. Alle Hände voll, wollen Sie noch immer mehr greifen, und können dann weder fassen noch halten. Ueberdem soll sich jeder Gegenstand des Genusses Ihnen noch in jedem andern Ge- genstande vervielfältigen. Sie sind gerade der Mann, über den Sie spotteten, der von einem Oranienbaum Castanien, und von einem Castanienbaum Pomeranzen verlangt; die leichtfertige Dirne soll auch die hohen Reize, alle Tugenden, die Liebe eines frommen Mädchen; und das fromme Mädchen wieder, die schnöden Annehmlichkeiten, die ganze Thor- heit der leichtfertigen Dirne besitzen: und wenn dergleichen sich nicht findet, dann ist es eine Noth, ein Jammer, daß man zweifelt, ob
auch
Allwill! Sie wurden dennoch nicht weiſer; und ſo mußten Sie bald nur deſto thoͤrichter, deſto ungluͤcklicher werden. Es kann nicht anders ſeyn, die unbeſonnene Heftigkeit, wo- mit Sie uͤberall ſich anwerfen, ſo vielfach ſich zertrennen, muß die ungereimteſte Verwirrung in Ihrem Weſen verurſachen, der gaͤnzlichen Zerruͤttung es immer naͤher bringen. Alle Haͤnde voll, wollen Sie noch immer mehr greifen, und koͤnnen dann weder faſſen noch halten. Ueberdem ſoll ſich jeder Gegenſtand des Genuſſes Ihnen noch in jedem andern Ge- genſtande vervielfaͤltigen. Sie ſind gerade der Mann, uͤber den Sie ſpotteten, der von einem Oranienbaum Caſtanien, und von einem Caſtanienbaum Pomeranzen verlangt; die leichtfertige Dirne ſoll auch die hohen Reize, alle Tugenden, die Liebe eines frommen Maͤdchen; und das fromme Maͤdchen wieder, die ſchnoͤden Annehmlichkeiten, die ganze Thor- heit der leichtfertigen Dirne beſitzen: und wenn dergleichen ſich nicht findet, dann iſt es eine Noth, ein Jammer, daß man zweifelt, ob
auch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0294"n="256"/><hirendition="#g">Allwill</hi>! Sie wurden dennoch nicht weiſer;<lb/>
und ſo mußten Sie bald nur deſto thoͤrichter,<lb/>
deſto ungluͤcklicher werden. Es kann nicht<lb/>
anders ſeyn, die unbeſonnene Heftigkeit, wo-<lb/>
mit Sie uͤberall ſich anwerfen, ſo vielfach ſich<lb/>
zertrennen, muß die ungereimteſte Verwirrung<lb/>
in Ihrem Weſen verurſachen, der gaͤnzlichen<lb/>
Zerruͤttung es immer naͤher bringen. Alle<lb/>
Haͤnde voll, wollen Sie noch immer <hirendition="#g">mehr</hi><lb/>
greifen, und koͤnnen dann weder <hirendition="#g">faſſen</hi> noch<lb/><hirendition="#g">halten</hi>. Ueberdem ſoll ſich jeder Gegenſtand<lb/>
des Genuſſes Ihnen noch in jedem andern Ge-<lb/>
genſtande vervielfaͤltigen. <hirendition="#g">Sie</hi>ſind gerade<lb/>
der Mann, uͤber den Sie ſpotteten, der von<lb/>
einem Oranienbaum <hirendition="#g">Caſtanien</hi>, und von<lb/>
einem Caſtanienbaum <hirendition="#g">Pomeranzen</hi> verlangt;<lb/>
die leichtfertige Dirne ſoll auch die hohen Reize,<lb/>
alle Tugenden, die <hirendition="#g">Liebe</hi> eines frommen<lb/>
Maͤdchen; und das fromme Maͤdchen wieder,<lb/>
die ſchnoͤden Annehmlichkeiten, die ganze Thor-<lb/>
heit der leichtfertigen Dirne beſitzen: und wenn<lb/>
dergleichen ſich nicht findet, dann iſt es eine<lb/>
Noth, ein Jammer, daß man zweifelt, ob<lb/><fwplace="bottom"type="catch">auch</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[256/0294]
Allwill! Sie wurden dennoch nicht weiſer;
und ſo mußten Sie bald nur deſto thoͤrichter,
deſto ungluͤcklicher werden. Es kann nicht
anders ſeyn, die unbeſonnene Heftigkeit, wo-
mit Sie uͤberall ſich anwerfen, ſo vielfach ſich
zertrennen, muß die ungereimteſte Verwirrung
in Ihrem Weſen verurſachen, der gaͤnzlichen
Zerruͤttung es immer naͤher bringen. Alle
Haͤnde voll, wollen Sie noch immer mehr
greifen, und koͤnnen dann weder faſſen noch
halten. Ueberdem ſoll ſich jeder Gegenſtand
des Genuſſes Ihnen noch in jedem andern Ge-
genſtande vervielfaͤltigen. Sie ſind gerade
der Mann, uͤber den Sie ſpotteten, der von
einem Oranienbaum Caſtanien, und von
einem Caſtanienbaum Pomeranzen verlangt;
die leichtfertige Dirne ſoll auch die hohen Reize,
alle Tugenden, die Liebe eines frommen
Maͤdchen; und das fromme Maͤdchen wieder,
die ſchnoͤden Annehmlichkeiten, die ganze Thor-
heit der leichtfertigen Dirne beſitzen: und wenn
dergleichen ſich nicht findet, dann iſt es eine
Noth, ein Jammer, daß man zweifelt, ob
auch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/294>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.