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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792.

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lichen das Thal zu enge. Da sprengten sie Fel-
sen weg und bauten Stufenweise die Berge
hinan. Das alles brachte dieser einzige Mann
zuwege, und ohne andre Absicht (seines Be-
wußtseyns) als sein Gewerbe in Flor zu brin-
gen, sein Haus zu gründen, und seine Nach-
kommen in Segen zu setzen. Eben so wurden
ihm die Eigenschaften ehrwürdiger Menschheit.
Die Klugheit und die Unsträflichkeit seines
Wandels hatten ihn bey seinen Mitbürgern in
solches Ansehen gesetzt, daß sie, wie einen Va-
ter, ihn über sich walten ließen. Sein Ur-
theil
, das Licht seines Gewissens, galt
ihnen mehr als alle Gesetzbücher. In den letzten
Jahren, wenn der alte Erdig über die Straße
gieng, traten die Leute vor ihre Häuser, und
wer ihm begegnete, wich auf die Seite, um
ihn mit gebührender Ehrfurcht zu grüßen.
Man muß die Leute sehen, wenn sie erzählen,
wie der Ehrenreiche Greis langsam so einher
trat, gegen jeden, freundlich, sein leuchtendes
Haupt neigte, und ihnen alles Gute erinner-
lich wird, was er gestiftet hat. -- Nicht

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lichen das Thal zu enge. Da ſprengten ſie Fel-
ſen weg und bauten Stufenweiſe die Berge
hinan. Das alles brachte dieſer einzige Mann
zuwege, und ohne andre Abſicht (ſeines Be-
wußtſeyns) als ſein Gewerbe in Flor zu brin-
gen, ſein Haus zu gruͤnden, und ſeine Nach-
kommen in Segen zu ſetzen. Eben ſo wurden
ihm die Eigenſchaften ehrwuͤrdiger Menſchheit.
Die Klugheit und die Unſtraͤflichkeit ſeines
Wandels hatten ihn bey ſeinen Mitbuͤrgern in
ſolches Anſehen geſetzt, daß ſie, wie einen Va-
ter, ihn uͤber ſich walten ließen. Sein Ur-
theil
, das Licht ſeines Gewiſſens, galt
ihnen mehr als alle Geſetzbuͤcher. In den letzten
Jahren, wenn der alte Erdig uͤber die Straße
gieng, traten die Leute vor ihre Haͤuſer, und
wer ihm begegnete, wich auf die Seite, um
ihn mit gebuͤhrender Ehrfurcht zu gruͤßen.
Man muß die Leute ſehen, wenn ſie erzaͤhlen,
wie der Ehrenreiche Greis langſam ſo einher
trat, gegen jeden, freundlich, ſein leuchtendes
Haupt neigte, und ihnen alles Gute erinner-
lich wird, was er geſtiftet hat. — Nicht

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[265/0303] lichen das Thal zu enge. Da ſprengten ſie Fel- ſen weg und bauten Stufenweiſe die Berge hinan. Das alles brachte dieſer einzige Mann zuwege, und ohne andre Abſicht (ſeines Be- wußtſeyns) als ſein Gewerbe in Flor zu brin- gen, ſein Haus zu gruͤnden, und ſeine Nach- kommen in Segen zu ſetzen. Eben ſo wurden ihm die Eigenſchaften ehrwuͤrdiger Menſchheit. Die Klugheit und die Unſtraͤflichkeit ſeines Wandels hatten ihn bey ſeinen Mitbuͤrgern in ſolches Anſehen geſetzt, daß ſie, wie einen Va- ter, ihn uͤber ſich walten ließen. Sein Ur- theil, das Licht ſeines Gewiſſens, galt ihnen mehr als alle Geſetzbuͤcher. In den letzten Jahren, wenn der alte Erdig uͤber die Straße gieng, traten die Leute vor ihre Haͤuſer, und wer ihm begegnete, wich auf die Seite, um ihn mit gebuͤhrender Ehrfurcht zu gruͤßen. Man muß die Leute ſehen, wenn ſie erzaͤhlen, wie der Ehrenreiche Greis langſam ſo einher trat, gegen jeden, freundlich, ſein leuchtendes Haupt neigte, und ihnen alles Gute erinner- lich wird, was er geſtiftet hat. — Nicht R 5

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Zitationshilfe: Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/303>, abgerufen am 01.06.2024.