Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

diese Vernunft ist gewiß im strengsten Sinne
Einzig und Allein . . . . En kai pan! --
Leider, für die menschliche Anschauung auch:
Ouden kai panta!

Nicht so hinter dem Vorhange; das weiß
ich! Aber ich stehe nur davor. Und da sage
ich zu Dir, der Du neben mir auch nur davor
stehest: -- So wenig der unendliche Raum die
besondere Natur irgend eines Körpers bestimmen
kann; so wenig kann reine Vernunft des
Menschen
mit ihrem überall eben guten
Willen, da sie in allen Menschen Eine und
dieselbe
ist, die Grundlage eines besondern,
verschiedenen Lebens ausmachen, und der
wirklichen Person ihren eigenthümlichen
individuellen Werth ertheilen. Was die eigene
Sinnesart, den eigenen festen Geschmack
hervorbringt, jene wunderbare innerliche Bil-
dungskraft, jene unerforschliche Energie,
die, alleinthätig, ihren Gegenstand sich
bestimmt, ihn ergreift, festhält -- eine Per-
son annimmt
-- und das Geheimniß der

T 4

dieſe Vernunft iſt gewiß im ſtrengſten Sinne
Einzig und Allein . . . . Ἑν και παν! —
Leider, fuͤr die menſchliche Anſchauung auch:
Οὐδεν και παντα!

Nicht ſo hinter dem Vorhange; das weiß
ich! Aber ich ſtehe nur davor. Und da ſage
ich zu Dir, der Du neben mir auch nur davor
ſteheſt: — So wenig der unendliche Raum die
beſondere Natur irgend eines Koͤrpers beſtimmen
kann; ſo wenig kann reine Vernunft des
Menſchen
mit ihrem uͤberall eben guten
Willen, da ſie in allen Menſchen Eine und
dieſelbe
iſt, die Grundlage eines beſondern,
verſchiedenen Lebens ausmachen, und der
wirklichen Perſon ihren eigenthuͤmlichen
individuellen Werth ertheilen. Was die eigene
Sinnesart, den eigenen feſten Geſchmack
hervorbringt, jene wunderbare innerliche Bil-
dungskraft, jene unerforſchliche Energie,
die, alleinthaͤtig, ihren Gegenſtand ſich
beſtimmt, ihn ergreift, feſthaͤlt — eine Per-
ſon annimmt
— und das Geheimniß der

T 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0333" n="295"/>
die&#x017F;e Vernunft i&#x017F;t gewiß im &#x017F;treng&#x017F;ten Sinne<lb/>
Einzig und <hi rendition="#g">Allein</hi> . . . . &#x1F19;&#x03BD; &#x03BA;&#x03B1;&#x03B9; &#x03C0;&#x03B1;&#x03BD;! &#x2014;<lb/>
Leider, fu&#x0364;r die men&#x017F;chliche An&#x017F;chauung auch:<lb/>
&#x039F;&#x1F50;&#x03B4;&#x03B5;&#x03BD; &#x03BA;&#x03B1;&#x03B9; &#x03C0;&#x03B1;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B1;!</p><lb/>
          <p>Nicht &#x017F;o <hi rendition="#g">hinter</hi> dem Vorhange; das weiß<lb/>
ich! Aber ich &#x017F;tehe nur davor. Und da &#x017F;age<lb/>
ich zu Dir, der Du neben mir auch nur davor<lb/>
&#x017F;tehe&#x017F;t: &#x2014; So wenig der unendliche Raum die<lb/>
be&#x017F;ondere Natur irgend eines Ko&#x0364;rpers be&#x017F;timmen<lb/>
kann; &#x017F;o wenig kann <hi rendition="#g">reine</hi> Vernunft <hi rendition="#g">des<lb/>
Men&#x017F;chen</hi> mit ihrem u&#x0364;berall eben guten<lb/>
Willen, da &#x017F;ie in allen Men&#x017F;chen <hi rendition="#g">Eine und<lb/>
die&#x017F;elbe</hi> i&#x017F;t, die Grundlage eines be&#x017F;ondern,<lb/><hi rendition="#g">ver&#x017F;chiedenen</hi> Lebens ausmachen, und der<lb/><hi rendition="#g">wirklichen Per&#x017F;on</hi> ihren eigenthu&#x0364;mlichen<lb/>
individuellen Werth ertheilen. Was die <hi rendition="#g">eigene</hi><lb/>
Sinnesart, den <hi rendition="#g">eigenen</hi> fe&#x017F;ten Ge&#x017F;chmack<lb/>
hervorbringt, jene wunderbare innerliche Bil-<lb/>
dungskraft, jene unerfor&#x017F;chliche <hi rendition="#g">Energie</hi>,<lb/>
die, <hi rendition="#g">alleintha&#x0364;tig</hi>, ihren Gegen&#x017F;tand &#x017F;ich<lb/>
be&#x017F;timmt, ihn ergreift, fe&#x017F;tha&#x0364;lt &#x2014; <hi rendition="#g">eine Per-<lb/>
&#x017F;on annimmt</hi> &#x2014; und das Geheimniß der<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">T 4</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[295/0333] dieſe Vernunft iſt gewiß im ſtrengſten Sinne Einzig und Allein . . . . Ἑν και παν! — Leider, fuͤr die menſchliche Anſchauung auch: Οὐδεν και παντα! Nicht ſo hinter dem Vorhange; das weiß ich! Aber ich ſtehe nur davor. Und da ſage ich zu Dir, der Du neben mir auch nur davor ſteheſt: — So wenig der unendliche Raum die beſondere Natur irgend eines Koͤrpers beſtimmen kann; ſo wenig kann reine Vernunft des Menſchen mit ihrem uͤberall eben guten Willen, da ſie in allen Menſchen Eine und dieſelbe iſt, die Grundlage eines beſondern, verſchiedenen Lebens ausmachen, und der wirklichen Perſon ihren eigenthuͤmlichen individuellen Werth ertheilen. Was die eigene Sinnesart, den eigenen feſten Geſchmack hervorbringt, jene wunderbare innerliche Bil- dungskraft, jene unerforſchliche Energie, die, alleinthaͤtig, ihren Gegenſtand ſich beſtimmt, ihn ergreift, feſthaͤlt — eine Per- ſon annimmt — und das Geheimniß der T 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/333
Zitationshilfe: Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/333>, abgerufen am 24.11.2024.