Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

Euklids erstes Postulat sich denken ließe, gege-
ben. Darum ist der Glaube überhaupt an ei-
nen Gott dem Menschen natürlich; und am
natürlichsten der Glaube an einen lebendigen
Gott. Der Grübler, der ihn losgeworden ist,
mußte zuvor, durch den geilsten Mißbrauch
des Vermögens willkührlicher Be-
zeichnung
, dieses zweyschneidigen Schwerd-
tes der Wahrheit und Lüge, sich von der Na-
tur und seinem eigenen Wesen gewaltsam ab-
sondern; er mußte sein Leben gleichsam bey der
Wurzel anfassen, um es von sich zu werfen.

Werde ich es sagen, endlich laut sagen
dürfen, daß sich mir die Geschichte der Philo-
sophie je länger desto mehr als ein Drama ent-
wickelte, worin Vernunft und Sprache
die Menächmen spielen (*)?

(*) S. das Schauspiel dieses Namens im Plau-
rus
, oder im Regnard, oder im Schakespear,
bey welchem letzteren, es die Irrungen
heißt.

Euklids erſtes Poſtulat ſich denken ließe, gege-
ben. Darum iſt der Glaube uͤberhaupt an ei-
nen Gott dem Menſchen natuͤrlich; und am
natuͤrlichſten der Glaube an einen lebendigen
Gott. Der Gruͤbler, der ihn losgeworden iſt,
mußte zuvor, durch den geilſten Mißbrauch
des Vermoͤgens willkuͤhrlicher Be-
zeichnung
, dieſes zweyſchneidigen Schwerd-
tes der Wahrheit und Luͤge, ſich von der Na-
tur und ſeinem eigenen Weſen gewaltſam ab-
ſondern; er mußte ſein Leben gleichſam bey der
Wurzel anfaſſen, um es von ſich zu werfen.

Werde ich es ſagen, endlich laut ſagen
duͤrfen, daß ſich mir die Geſchichte der Philo-
ſophie je laͤnger deſto mehr als ein Drama ent-
wickelte, worin Vernunft und Sprache
die Menaͤchmen ſpielen (*)?

(*) S. das Schauſpiel dieſes Namens im Plau-
rus
, oder im Regnard, oder im Schakeſpear,
bey welchem letzteren, es die Irrungen
heißt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0354" n="316"/>
Euklids er&#x017F;tes Po&#x017F;tulat &#x017F;ich denken ließe, gege-<lb/>
ben. Darum i&#x017F;t der Glaube u&#x0364;berhaupt an ei-<lb/>
nen Gott dem Men&#x017F;chen natu&#x0364;rlich; und am<lb/>
natu&#x0364;rlich&#x017F;ten der Glaube an einen <hi rendition="#g">lebendigen</hi><lb/>
Gott. Der Gru&#x0364;bler, der ihn losgeworden i&#x017F;t,<lb/>
mußte zuvor, durch den geil&#x017F;ten Mißbrauch<lb/><hi rendition="#g">des Vermo&#x0364;gens willku&#x0364;hrlicher Be-<lb/>
zeichnung</hi>, die&#x017F;es zwey&#x017F;chneidigen Schwerd-<lb/>
tes der Wahrheit und Lu&#x0364;ge, &#x017F;ich von der Na-<lb/>
tur und &#x017F;einem eigenen We&#x017F;en gewalt&#x017F;am ab-<lb/>
&#x017F;ondern; er mußte &#x017F;ein Leben gleich&#x017F;am bey der<lb/>
Wurzel anfa&#x017F;&#x017F;en, um es von &#x017F;ich zu werfen.</p><lb/>
          <p>Werde ich es &#x017F;agen, endlich laut &#x017F;agen<lb/>
du&#x0364;rfen, daß &#x017F;ich mir die Ge&#x017F;chichte der Philo-<lb/>
&#x017F;ophie je la&#x0364;nger de&#x017F;to mehr als ein Drama ent-<lb/>
wickelte, worin <hi rendition="#g">Vernunft</hi> und <hi rendition="#g">Sprache</hi><lb/>
die Mena&#x0364;chmen &#x017F;pielen <note place="foot" n="(*)">S. das Schau&#x017F;piel die&#x017F;es Namens im <hi rendition="#fr">Plau-<lb/>
rus</hi>, oder im <hi rendition="#fr">Regnard</hi>, oder im <hi rendition="#fr">Schake&#x017F;pear</hi>,<lb/>
bey welchem letzteren, es die <hi rendition="#g">Irrungen</hi><lb/>
heißt.</note>?</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[316/0354] Euklids erſtes Poſtulat ſich denken ließe, gege- ben. Darum iſt der Glaube uͤberhaupt an ei- nen Gott dem Menſchen natuͤrlich; und am natuͤrlichſten der Glaube an einen lebendigen Gott. Der Gruͤbler, der ihn losgeworden iſt, mußte zuvor, durch den geilſten Mißbrauch des Vermoͤgens willkuͤhrlicher Be- zeichnung, dieſes zweyſchneidigen Schwerd- tes der Wahrheit und Luͤge, ſich von der Na- tur und ſeinem eigenen Weſen gewaltſam ab- ſondern; er mußte ſein Leben gleichſam bey der Wurzel anfaſſen, um es von ſich zu werfen. Werde ich es ſagen, endlich laut ſagen duͤrfen, daß ſich mir die Geſchichte der Philo- ſophie je laͤnger deſto mehr als ein Drama ent- wickelte, worin Vernunft und Sprache die Menaͤchmen ſpielen (*)? (*) S. das Schauſpiel dieſes Namens im Plau- rus, oder im Regnard, oder im Schakeſpear, bey welchem letzteren, es die Irrungen heißt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/354
Zitationshilfe: Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/354>, abgerufen am 24.11.2024.