Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

durch verstellte Albernheit aus der Schlußfol-
ge gebracht habe. Für seine Cameraden über-
nahm er mehrmals Schuld und Strafe; nicht
sowohl aus Freundschaftsenthusiasmus und
Mitleid, als weil ihm vor ihrem Flehen und
Heulen während der Execution unerträglich
ekelte. Bey allem dem nicht ein Schatten von
Dreistigkeit; im Gegentheil so schüchtern, so
demüthig gegen jedermann, wovon er Gutes
dachte; zugleich so vorliebend, so dankbar, so
mild und so gut, daß er den meisten, theils
für einen Tropf, theils für einen Schmeich-
ler galt.

Vor Unwahrheit, ja vor bloßem Irrthum
... Gut, daß ich hier ein neues Blatt suchen
mußte, sonst wäre mir schwerlich eingefallen,
daß in einer Viertelstunde die Post abgeht.
Wenn Du willst, so komme ich nächstens auf
diese Materie zurück, und erzähle Dir von
den Contrasten im kleinen Eduard: wie
er bey aller seiner Unbändigkeit nicht wild,
sondern zur Stille, zum vertraulichen Leben

durch verſtellte Albernheit aus der Schlußfol-
ge gebracht habe. Fuͤr ſeine Cameraden uͤber-
nahm er mehrmals Schuld und Strafe; nicht
ſowohl aus Freundſchaftsenthuſiasmus und
Mitleid, als weil ihm vor ihrem Flehen und
Heulen waͤhrend der Execution unertraͤglich
ekelte. Bey allem dem nicht ein Schatten von
Dreiſtigkeit; im Gegentheil ſo ſchuͤchtern, ſo
demuͤthig gegen jedermann, wovon er Gutes
dachte; zugleich ſo vorliebend, ſo dankbar, ſo
mild und ſo gut, daß er den meiſten, theils
fuͤr einen Tropf, theils fuͤr einen Schmeich-
ler galt.

Vor Unwahrheit, ja vor bloßem Irrthum
… Gut, daß ich hier ein neues Blatt ſuchen
mußte, ſonſt waͤre mir ſchwerlich eingefallen,
daß in einer Viertelſtunde die Poſt abgeht.
Wenn Du willſt, ſo komme ich naͤchſtens auf
dieſe Materie zuruͤck, und erzaͤhle Dir von
den Contraſten im kleinen Eduard: wie
er bey aller ſeiner Unbaͤndigkeit nicht wild,
ſondern zur Stille, zum vertraulichen Leben

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0072" n="34"/>
durch ver&#x017F;tellte Albernheit aus der Schlußfol-<lb/>
ge gebracht habe. Fu&#x0364;r &#x017F;eine Cameraden u&#x0364;ber-<lb/>
nahm er mehrmals Schuld und Strafe; nicht<lb/>
&#x017F;owohl aus Freund&#x017F;chaftsenthu&#x017F;iasmus und<lb/>
Mitleid, als weil ihm vor ihrem Flehen und<lb/>
Heulen wa&#x0364;hrend der Execution unertra&#x0364;glich<lb/>
ekelte. Bey allem dem nicht ein Schatten von<lb/>
Drei&#x017F;tigkeit; im Gegentheil &#x017F;o &#x017F;chu&#x0364;chtern, &#x017F;o<lb/>
demu&#x0364;thig gegen jedermann, wovon er Gutes<lb/>
dachte; zugleich &#x017F;o vorliebend, &#x017F;o dankbar, &#x017F;o<lb/>
mild und &#x017F;o gut, daß er den mei&#x017F;ten, theils<lb/>
fu&#x0364;r einen Tropf, theils fu&#x0364;r einen Schmeich-<lb/>
ler galt.</p><lb/>
          <p>Vor Unwahrheit, ja vor bloßem Irrthum<lb/>
&#x2026; Gut, daß ich hier ein neues Blatt &#x017F;uchen<lb/>
mußte, &#x017F;on&#x017F;t wa&#x0364;re mir &#x017F;chwerlich eingefallen,<lb/>
daß in einer Viertel&#x017F;tunde die Po&#x017F;t abgeht.<lb/>
Wenn Du will&#x017F;t, &#x017F;o komme ich na&#x0364;ch&#x017F;tens auf<lb/>
die&#x017F;e Materie zuru&#x0364;ck, und erza&#x0364;hle Dir von<lb/>
den <hi rendition="#g">Contra&#x017F;ten</hi> im kleinen Eduard: wie<lb/>
er bey aller &#x017F;einer Unba&#x0364;ndigkeit nicht wild,<lb/>
&#x017F;ondern zur Stille, zum vertraulichen Leben<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[34/0072] durch verſtellte Albernheit aus der Schlußfol- ge gebracht habe. Fuͤr ſeine Cameraden uͤber- nahm er mehrmals Schuld und Strafe; nicht ſowohl aus Freundſchaftsenthuſiasmus und Mitleid, als weil ihm vor ihrem Flehen und Heulen waͤhrend der Execution unertraͤglich ekelte. Bey allem dem nicht ein Schatten von Dreiſtigkeit; im Gegentheil ſo ſchuͤchtern, ſo demuͤthig gegen jedermann, wovon er Gutes dachte; zugleich ſo vorliebend, ſo dankbar, ſo mild und ſo gut, daß er den meiſten, theils fuͤr einen Tropf, theils fuͤr einen Schmeich- ler galt. Vor Unwahrheit, ja vor bloßem Irrthum … Gut, daß ich hier ein neues Blatt ſuchen mußte, ſonſt waͤre mir ſchwerlich eingefallen, daß in einer Viertelſtunde die Poſt abgeht. Wenn Du willſt, ſo komme ich naͤchſtens auf dieſe Materie zuruͤck, und erzaͤhle Dir von den Contraſten im kleinen Eduard: wie er bey aller ſeiner Unbaͤndigkeit nicht wild, ſondern zur Stille, zum vertraulichen Leben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/72
Zitationshilfe: Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/72>, abgerufen am 21.11.2024.