und Geistes, wodurch ihm der eigentliche Ge- nuß seiner göttlicheren Natur, Rück- und Aus- sicht wird, und wozu niemand gelangt, der nicht mehrmals im äussersten Gedränge, von allem ausser sich verlassen war. Da hat die ganz auf sich selbst gestämmte Seele sich in allen ihren Theilen gefühlt; hat, wie Jacob, mit dem Herrn gerungen und seinen Segen davon getragen. Wer, liebste Sylli, wollte nicht gern für diesen Preis sich eine Zeitlang mit ei- ner verrenkten Hüfte schleppen?
Clärchen.
Schön, was Clerdon sagte; auch gut und wahr: aber wenn es am Ende doch -- nur Trost wäre; ein köstlicher Balsam, aber nur lindernd, und die Wunde -- tödtlich? Arme Sylli, wohl bist Du übel daran; wohl hast Du es schlimm in der Welt! Ich höre ihn ja so hell aus Deiner Brust hervorgehn den Schrey des tiefsten Schmerzes. Was hilft es mir, daß Du hintennach lächelst? Damit machst
und Geiſtes, wodurch ihm der eigentliche Ge- nuß ſeiner goͤttlicheren Natur, Ruͤck- und Aus- ſicht wird, und wozu niemand gelangt, der nicht mehrmals im aͤuſſerſten Gedraͤnge, von allem auſſer ſich verlaſſen war. Da hat die ganz auf ſich ſelbſt geſtaͤmmte Seele ſich in allen ihren Theilen gefuͤhlt; hat, wie Jacob, mit dem Herrn gerungen und ſeinen Segen davon getragen. Wer, liebſte Sylli, wollte nicht gern fuͤr dieſen Preis ſich eine Zeitlang mit ei- ner verrenkten Huͤfte ſchleppen?
Claͤrchen.
Schoͤn, was Clerdon ſagte; auch gut und wahr: aber wenn es am Ende doch — nur Troſt waͤre; ein koͤſtlicher Balſam, aber nur lindernd, und die Wunde — toͤdtlich? Arme Sylli, wohl biſt Du uͤbel daran; wohl haſt Du es ſchlimm in der Welt! Ich hoͤre ihn ja ſo hell aus Deiner Bruſt hervorgehn den Schrey des tiefſten Schmerzes. Was hilft es mir, daß Du hintennach laͤchelſt? Damit machſt
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und Geiſtes, wodurch ihm der eigentliche Ge-
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ſicht wird, und wozu niemand gelangt, der
nicht mehrmals im aͤuſſerſten Gedraͤnge, von
allem auſſer ſich verlaſſen war. Da hat die
ganz auf ſich ſelbſt geſtaͤmmte Seele ſich in allen
ihren Theilen gefuͤhlt; hat, wie Jacob, mit
dem Herrn gerungen und ſeinen Segen davon
getragen. Wer, liebſte Sylli, wollte nicht
gern fuͤr dieſen Preis ſich eine Zeitlang mit ei-
ner verrenkten Huͤfte ſchleppen?
Claͤrchen.
Schoͤn, was Clerdon ſagte; auch gut und
wahr: aber wenn es am Ende doch — nur
Troſt waͤre; ein koͤſtlicher Balſam, aber nur
lindernd, und die Wunde — toͤdtlich?
Arme Sylli, wohl biſt Du uͤbel daran; wohl
haſt Du es ſchlimm in der Welt! Ich hoͤre
ihn ja ſo hell aus Deiner Bruſt hervorgehn den
Schrey des tiefſten Schmerzes. Was hilft es
mir, daß Du hintennach laͤchelſt? Damit machſt
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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/99>, abgerufen am 24.11.2024.
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