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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

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bey doch dieser Satz unrichtig bleiben,
wenn unsere GOttes Gelehrten mit Hiob
am 19. v. 25. 26. sagen, daß wir mit die-
ser unser Haut wieder werden umgeben,
und also eben denjenigen Leib wieder erhalten
werden, den wir hier gehabt. Aber auch die-
ser Satz behält seine Richtigkeit. Wenn
wir eine Kranckheit gehabt, welche unser
Fett und Fleisch verzehret, die Haut in
Runtzein geleget und die dürren Knochen
sichtbahrer als sonst gemacht, und uns al-
ler Kräffte und unserer vorigen Gestalt und
Schönheit beraubet; so sagen wir, daß
wir eben den Leib, eben das Fett, eben das
Fleisch und eben die Haut wieder bekom-
men, welche wir vor der Kranckheit ge-
habt. Wenn wir das Bette wieder ver-
lassen, die Kräffte wieder samlen, durch
neue Speisen zu neuem Fleische ge-
langen, die verruntzelte Haut abschelen
und mit einer andern verwechseln, so bekräff-
tigen wir, daß wir den vorigen Leib annoch
haben. Alles, was diese Redens-Arth
rechtfertiget, giebet auch jener ihre Richtig-
keit. Ein jeder weis, daß, wenn wir die
Sache auf das genaueste nehmen wollen,
nicht eben alle diejenigen Fleisch-Theilchen,
welche die Knochen vor der Kranckheit be-
kleidet, selbige auch nach der Genesung

wiede





bey doch dieſer Satz unrichtig bleiben,
wenn unſere GOttes Gelehrten mit Hiob
am 19. v. 25. 26. ſagen, daß wir mit die-
ſer unſer Haut wieder werden umgeben,
und alſo eben denjenigen Leib wieder erhalten
werden, den wir hier gehabt. Aber auch die-
ſer Satz behaͤlt ſeine Richtigkeit. Wenn
wir eine Kranckheit gehabt, welche unſer
Fett und Fleiſch verzehret, die Haut in
Runtzein geleget und die duͤrren Knochen
ſichtbahrer als ſonſt gemacht, und uns al-
ler Kraͤffte und unſerer vorigen Geſtalt und
Schoͤnheit beraubet; ſo ſagen wir, daß
wir eben den Leib, eben das Fett, eben das
Fleiſch und eben die Haut wieder bekom-
men, welche wir vor der Kranckheit ge-
habt. Wenn wir das Bette wieder ver-
laſſen, die Kraͤffte wieder ſamlen, durch
neue Speiſen zu neuem Fleiſche ge-
langen, die verruntzelte Haut abſchelen
und mit einer andern verwechſeln, ſo bekraͤff-
tigen wir, daß wir den vorigen Leib annoch
haben. Alles, was dieſe Redens-Arth
rechtfertiget, giebet auch jener ihre Richtig-
keit. Ein jeder weis, daß, wenn wir die
Sache auf das genaueſte nehmen wollen,
nicht eben alle diejenigen Fleiſch-Theilchen,
welche die Knochen vor der Kranckheit be-
kleidet, ſelbige auch nach der Geneſung

wiede
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[123[119]/0155] bey doch dieſer Satz unrichtig bleiben, wenn unſere GOttes Gelehrten mit Hiob am 19. v. 25. 26. ſagen, daß wir mit die- ſer unſer Haut wieder werden umgeben, und alſo eben denjenigen Leib wieder erhalten werden, den wir hier gehabt. Aber auch die- ſer Satz behaͤlt ſeine Richtigkeit. Wenn wir eine Kranckheit gehabt, welche unſer Fett und Fleiſch verzehret, die Haut in Runtzein geleget und die duͤrren Knochen ſichtbahrer als ſonſt gemacht, und uns al- ler Kraͤffte und unſerer vorigen Geſtalt und Schoͤnheit beraubet; ſo ſagen wir, daß wir eben den Leib, eben das Fett, eben das Fleiſch und eben die Haut wieder bekom- men, welche wir vor der Kranckheit ge- habt. Wenn wir das Bette wieder ver- laſſen, die Kraͤffte wieder ſamlen, durch neue Speiſen zu neuem Fleiſche ge- langen, die verruntzelte Haut abſchelen und mit einer andern verwechſeln, ſo bekraͤff- tigen wir, daß wir den vorigen Leib annoch haben. Alles, was dieſe Redens-Arth rechtfertiget, giebet auch jener ihre Richtig- keit. Ein jeder weis, daß, wenn wir die Sache auf das genaueſte nehmen wollen, nicht eben alle diejenigen Fleiſch-Theilchen, welche die Knochen vor der Kranckheit be- kleidet, ſelbige auch nach der Geneſung wiede

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 123[119]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/155>, abgerufen am 11.05.2024.