bey doch dieser Satz unrichtig bleiben, wenn unsere GOttes Gelehrten mit Hiob am 19. v. 25. 26. sagen, daß wir mit die- ser unser Haut wieder werden umgeben, und also eben denjenigen Leib wieder erhalten werden, den wir hier gehabt. Aber auch die- ser Satz behält seine Richtigkeit. Wenn wir eine Kranckheit gehabt, welche unser Fett und Fleisch verzehret, die Haut in Runtzein geleget und die dürren Knochen sichtbahrer als sonst gemacht, und uns al- ler Kräffte und unserer vorigen Gestalt und Schönheit beraubet; so sagen wir, daß wir eben den Leib, eben das Fett, eben das Fleisch und eben die Haut wieder bekom- men, welche wir vor der Kranckheit ge- habt. Wenn wir das Bette wieder ver- lassen, die Kräffte wieder samlen, durch neue Speisen zu neuem Fleische ge- langen, die verruntzelte Haut abschelen und mit einer andern verwechseln, so bekräff- tigen wir, daß wir den vorigen Leib annoch haben. Alles, was diese Redens-Arth rechtfertiget, giebet auch jener ihre Richtig- keit. Ein jeder weis, daß, wenn wir die Sache auf das genaueste nehmen wollen, nicht eben alle diejenigen Fleisch-Theilchen, welche die Knochen vor der Kranckheit be- kleidet, selbige auch nach der Genesung
wiede
bey doch dieſer Satz unrichtig bleiben, wenn unſere GOttes Gelehrten mit Hiob am 19. v. 25. 26. ſagen, daß wir mit die- ſer unſer Haut wieder werden umgeben, und alſo eben denjenigen Leib wieder erhalten werden, den wir hier gehabt. Aber auch die- ſer Satz behaͤlt ſeine Richtigkeit. Wenn wir eine Kranckheit gehabt, welche unſer Fett und Fleiſch verzehret, die Haut in Runtzein geleget und die duͤrren Knochen ſichtbahrer als ſonſt gemacht, und uns al- ler Kraͤffte und unſerer vorigen Geſtalt und Schoͤnheit beraubet; ſo ſagen wir, daß wir eben den Leib, eben das Fett, eben das Fleiſch und eben die Haut wieder bekom- men, welche wir vor der Kranckheit ge- habt. Wenn wir das Bette wieder ver- laſſen, die Kraͤffte wieder ſamlen, durch neue Speiſen zu neuem Fleiſche ge- langen, die verruntzelte Haut abſchelen und mit einer andern verwechſeln, ſo bekraͤff- tigen wir, daß wir den vorigen Leib annoch haben. Alles, was dieſe Redens-Arth rechtfertiget, giebet auch jener ihre Richtig- keit. Ein jeder weis, daß, wenn wir die Sache auf das genaueſte nehmen wollen, nicht eben alle diejenigen Fleiſch-Theilchen, welche die Knochen vor der Kranckheit be- kleidet, ſelbige auch nach der Geneſung
wiede
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[123[119]/0155]
bey doch dieſer Satz unrichtig bleiben,
wenn unſere GOttes Gelehrten mit Hiob
am 19. v. 25. 26. ſagen, daß wir mit die-
ſer unſer Haut wieder werden umgeben,
und alſo eben denjenigen Leib wieder erhalten
werden, den wir hier gehabt. Aber auch die-
ſer Satz behaͤlt ſeine Richtigkeit. Wenn
wir eine Kranckheit gehabt, welche unſer
Fett und Fleiſch verzehret, die Haut in
Runtzein geleget und die duͤrren Knochen
ſichtbahrer als ſonſt gemacht, und uns al-
ler Kraͤffte und unſerer vorigen Geſtalt und
Schoͤnheit beraubet; ſo ſagen wir, daß
wir eben den Leib, eben das Fett, eben das
Fleiſch und eben die Haut wieder bekom-
men, welche wir vor der Kranckheit ge-
habt. Wenn wir das Bette wieder ver-
laſſen, die Kraͤffte wieder ſamlen, durch
neue Speiſen zu neuem Fleiſche ge-
langen, die verruntzelte Haut abſchelen
und mit einer andern verwechſeln, ſo bekraͤff-
tigen wir, daß wir den vorigen Leib annoch
haben. Alles, was dieſe Redens-Arth
rechtfertiget, giebet auch jener ihre Richtig-
keit. Ein jeder weis, daß, wenn wir die
Sache auf das genaueſte nehmen wollen,
nicht eben alle diejenigen Fleiſch-Theilchen,
welche die Knochen vor der Kranckheit be-
kleidet, ſelbige auch nach der Geneſung
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 123[119]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/155>, abgerufen am 24.11.2024.
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