Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite





ausser der menschlichen Natur auch noch ei-
nen Grund in der Erziehung, Gewohnheit,
Gsellschafft, veränderlichen Beschaffenheit
unsers Leibes und vielleicht auch noch in an-
dern äusserlichen Dingen. Von diesen
letztern bemercken wir folgendes:

I. Diejenigen Vergnügen und Mißver-
gnügen, welche unter anderr sich auf die
Erziehung, Gewohnheit, Gesellschafft, ver-
änderliche Beschaffenheit des Leibes und
andere äusserliche Dinge gründen, sind bey
verschiedenen Menschen unterschieden, so
daß sich der eine an diesem, der andere an
jenem vergnüget. Sie sind auch bey ei-
nem Menschen veränderlich, dergestalt, daß
diejenigen Dinge, die ihn zu der einen Zeit
ergetzet, nach einigen Jahren kein Vergnü-
gen mehr geben, sondern wol gar unange-
nehm werden. Z. E. Jn unser Kindheit
ist uns nichts angenehmer, als hüpffen, ren-
nen und lauffen: und einige Stunden
stille zu sitzen ist uns fast eine unerträgliche
Last. Das Alter aber kehret diese Nei-
gung gantz um, und macht, daß man gerne
mit einer stillen Ruhe hinter einem war-
men Offen verlieb nimmt. Man kan zu
dieser Veränderung des Vergnügens und

Miß-





auſſer der menſchlichen Natur auch noch ei-
nen Grund in der Erziehung, Gewohnheit,
Gſellſchafft, veraͤnderlichen Beſchaffenheit
unſers Leibes und vielleicht auch noch in an-
dern aͤuſſerlichen Dingen. Von dieſen
letztern bemercken wir folgendes:

I. Diejenigen Vergnuͤgen und Mißver-
gnuͤgen, welche unter anderr ſich auf die
Erziehung, Gewohnheit, Geſellſchafft, ver-
aͤnderliche Beſchaffenheit des Leibes und
andere aͤuſſerliche Dinge gruͤnden, ſind bey
verſchiedenen Menſchen unterſchieden, ſo
daß ſich der eine an dieſem, der andere an
jenem vergnuͤget. Sie ſind auch bey ei-
nem Menſchen veraͤnderlich, dergeſtalt, daß
diejenigen Dinge, die ihn zu der einen Zeit
ergetzet, nach einigen Jahren kein Vergnuͤ-
gen mehr geben, ſondern wol gar unange-
nehm werden. Z. E. Jn unſer Kindheit
iſt uns nichts angenehmer, als huͤpffen, ren-
nen und lauffen: und einige Stunden
ſtille zu ſitzen iſt uns faſt eine unertraͤgliche
Laſt. Das Alter aber kehret dieſe Nei-
gung gantz um, und macht, daß man gerne
mit einer ſtillen Ruhe hinter einem war-
men Offen verlieb nimmt. Man kan zu
dieſer Veraͤnderung des Vergnuͤgens und

Miß-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0176" n="144[140]"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
au&#x017F;&#x017F;er der men&#x017F;chlichen Natur auch noch ei-<lb/>
nen Grund in der Erziehung, Gewohnheit,<lb/>
G&#x017F;ell&#x017F;chafft, vera&#x0364;nderlichen Be&#x017F;chaffenheit<lb/>
un&#x017F;ers Leibes und vielleicht auch noch in an-<lb/>
dern a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlichen Dingen. Von die&#x017F;en<lb/>
letztern bemercken wir folgendes:</p><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">I.</hi> Diejenigen Vergnu&#x0364;gen und Mißver-<lb/>
gnu&#x0364;gen, welche unter anderr &#x017F;ich auf die<lb/>
Erziehung, Gewohnheit, Ge&#x017F;ell&#x017F;chafft, ver-<lb/>
a&#x0364;nderliche Be&#x017F;chaffenheit des Leibes und<lb/>
andere a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erliche Dinge gru&#x0364;nden, &#x017F;ind bey<lb/>
ver&#x017F;chiedenen Men&#x017F;chen unter&#x017F;chieden, &#x017F;o<lb/>
daß &#x017F;ich der eine an die&#x017F;em, der andere an<lb/>
jenem vergnu&#x0364;get. Sie &#x017F;ind auch bey ei-<lb/>
nem Men&#x017F;chen vera&#x0364;nderlich, derge&#x017F;talt, daß<lb/>
diejenigen Dinge, die ihn zu der einen Zeit<lb/>
ergetzet, nach einigen Jahren kein Vergnu&#x0364;-<lb/>
gen mehr geben, &#x017F;ondern wol gar unange-<lb/>
nehm werden. Z. E. Jn un&#x017F;er Kindheit<lb/>
i&#x017F;t uns nichts angenehmer, als hu&#x0364;pffen, ren-<lb/>
nen und lauffen: und einige Stunden<lb/>
&#x017F;tille zu &#x017F;itzen i&#x017F;t uns fa&#x017F;t eine unertra&#x0364;gliche<lb/>
La&#x017F;t. Das Alter aber kehret die&#x017F;e Nei-<lb/>
gung gantz um, und macht, daß man gerne<lb/>
mit einer &#x017F;tillen Ruhe hinter einem war-<lb/>
men Offen verlieb nimmt. Man kan zu<lb/>
die&#x017F;er Vera&#x0364;nderung des Vergnu&#x0364;gens und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Miß-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[144[140]/0176] auſſer der menſchlichen Natur auch noch ei- nen Grund in der Erziehung, Gewohnheit, Gſellſchafft, veraͤnderlichen Beſchaffenheit unſers Leibes und vielleicht auch noch in an- dern aͤuſſerlichen Dingen. Von dieſen letztern bemercken wir folgendes: I. Diejenigen Vergnuͤgen und Mißver- gnuͤgen, welche unter anderr ſich auf die Erziehung, Gewohnheit, Geſellſchafft, ver- aͤnderliche Beſchaffenheit des Leibes und andere aͤuſſerliche Dinge gruͤnden, ſind bey verſchiedenen Menſchen unterſchieden, ſo daß ſich der eine an dieſem, der andere an jenem vergnuͤget. Sie ſind auch bey ei- nem Menſchen veraͤnderlich, dergeſtalt, daß diejenigen Dinge, die ihn zu der einen Zeit ergetzet, nach einigen Jahren kein Vergnuͤ- gen mehr geben, ſondern wol gar unange- nehm werden. Z. E. Jn unſer Kindheit iſt uns nichts angenehmer, als huͤpffen, ren- nen und lauffen: und einige Stunden ſtille zu ſitzen iſt uns faſt eine unertraͤgliche Laſt. Das Alter aber kehret dieſe Nei- gung gantz um, und macht, daß man gerne mit einer ſtillen Ruhe hinter einem war- men Offen verlieb nimmt. Man kan zu dieſer Veraͤnderung des Vergnuͤgens und Miß-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/176
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 144[140]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/176>, abgerufen am 12.05.2024.