Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.da der Cörper diejenigen Gliedmassen wie- der bekommt, durch welche die Seele hier geschmeckt und gerochen, so ist nicht zu zweiffeln, die Seele werde eben diese bey- den Sinne auch in jenem Leben behalten. Ob aber die Seligen dieser Sinne sich zu ihrem Vergnügen bedienen werden, kan aus Mangel der Gründe, indem die Schrifft nichts davon mit einer völligen Gewißheit erwehnet, weder ausdrücklich bejahen noch verneinen. Jndessen kommt mir die ge- meine Meynung, daß die Seligen in dem Geschmack und Geruch keine Belustigung suchen werden, nicht unglaublich vor. Denn ein verklärter Leib bedarf vermuth- lich keiner Speise, und hat also weder Hunger noch Durst. Treibt sie aber kein Schmertz des Magens zum essen und trin- cken, und nöthiget sie kein unangenehmer Geruch einen bessern zu suchen, so wird sie die blosse Begierde zu einer solchen gerin- gen Wollust nicht darzu bewegen. Sie haben weit empfindlichere und höhere Ver- gnügen als diese. Wir wissen aber, daß wir der geringen Belustigungen vergessen, wenn wir einer grössern Ergetzung können theilhafftig werden. (Siehe §. 21.) Wir erfahren dieses schon in unserem jetzigen Leben.
da der Coͤrper diejenigen Gliedmaſſen wie- der bekommt, durch welche die Seele hier geſchmeckt und gerochen, ſo iſt nicht zu zweiffeln, die Seele werde eben dieſe bey- den Sinne auch in jenem Leben behalten. Ob aber die Seligen dieſer Sinne ſich zu ihrem Vergnuͤgen bedienen werden, kan aus Mangel der Gruͤnde, indem die Schrifft nichts davon mit einer voͤlligen Gewißheit erwehnet, weder ausdruͤcklich bejahen noch verneinen. Jndeſſen kommt mir die ge- meine Meynung, daß die Seligen in dem Geſchmack und Geruch keine Beluſtigung ſuchen werden, nicht unglaublich vor. Denn ein verklaͤrter Leib bedarf vermuth- lich keiner Speiſe, und hat alſo weder Hunger noch Durſt. Treibt ſie aber kein Schmertz des Magens zum eſſen und trin- cken, und noͤthiget ſie kein unangenehmer Geruch einen beſſern zu ſuchen, ſo wird ſie die bloſſe Begierde zu einer ſolchen gerin- gen Wolluſt nicht darzu bewegen. Sie haben weit empfindlichere und hoͤhere Ver- gnuͤgen als dieſe. Wir wiſſen aber, daß wir der geringen Beluſtigungen vergeſſen, wenn wir einer groͤſſern Ergetzung koͤnnen theilhafftig werden. (Siehe §. 21.) Wir erfahren dieſes ſchon in unſerem jetzigen Leben.
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da der Coͤrper diejenigen Gliedmaſſen wie-
der bekommt, durch welche die Seele hier
geſchmeckt und gerochen, ſo iſt nicht zu
zweiffeln, die Seele werde eben dieſe bey-
den Sinne auch in jenem Leben behalten.
Ob aber die Seligen dieſer Sinne ſich zu
ihrem Vergnuͤgen bedienen werden, kan
aus Mangel der Gruͤnde, indem die Schrifft
nichts davon mit einer voͤlligen Gewißheit
erwehnet, weder ausdruͤcklich bejahen noch
verneinen. Jndeſſen kommt mir die ge-
meine Meynung, daß die Seligen in dem
Geſchmack und Geruch keine Beluſtigung
ſuchen werden, nicht unglaublich vor.
Denn ein verklaͤrter Leib bedarf vermuth-
lich keiner Speiſe, und hat alſo weder
Hunger noch Durſt. Treibt ſie aber kein
Schmertz des Magens zum eſſen und trin-
cken, und noͤthiget ſie kein unangenehmer
Geruch einen beſſern zu ſuchen, ſo wird ſie
die bloſſe Begierde zu einer ſolchen gerin-
gen Wolluſt nicht darzu bewegen. Sie
haben weit empfindlichere und hoͤhere Ver-
gnuͤgen als dieſe. Wir wiſſen aber, daß
wir der geringen Beluſtigungen vergeſſen,
wenn wir einer groͤſſern Ergetzung koͤnnen
theilhafftig werden. (Siehe §. 21.) Wir
erfahren dieſes ſchon in unſerem jetzigen
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