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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

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rühren die vielen Unruhen dieser Erden,
welche ein Mensch dem andern macht.
Woher entstehen so viel Streitigkeiten?
Warum hört man so viel beissende und
sressende Worte? Was bewegt die Sterb-
lichen, die grausamsten Gewehre gegen ein-
ander zu gebrauchen? Was macht sie so
durstig nach ihrer Brüder Blut? Sind es
nicht die Laster und bösen Neigungen, wel-
chen die Menschen sich unterwerffen, und
deren Triebe sie so willig folgen? Wolte
nun GOtt auch denen das Bürger-Recht
des Himmels schencken, welche durch viele
böse Thaten zu einer verstockten Gewohn-
heit in Lastern kommen; so würde der Him-
mel eben zu einer solchen unruhigen Woh-
nung werden, als diese Erde. Einer wür-
de den andern beneiden, hassen, verfolgen
und allen ersinnlichen Verdruß machen,
und die Tugendhafften würden dort nicht
viel glückseliger seyn, als in diesen irdischen
Hütten. Stimmt es derowegen mit der
Geneigheit GOttes Geschöpffe glückselig
zu machen nicht überein, daß er derein-
sten Fromme und Gottlose von einander
trennet? Ja würde man daraus wol ei-
nen höhern Grad der göttlichen Güte ab-
nehmen können, wenn er die frommen En-

gel





ruͤhren die vielen Unruhen dieſer Erden,
welche ein Menſch dem andern macht.
Woher entſtehen ſo viel Streitigkeiten?
Warum hoͤrt man ſo viel beiſſende und
ſreſſende Worte? Was bewegt die Sterb-
lichen, die grauſamſten Gewehre gegen ein-
ander zu gebrauchen? Was macht ſie ſo
durſtig nach ihrer Bruͤder Blut? Sind es
nicht die Laſter und boͤſen Neigungen, wel-
chen die Menſchen ſich unterwerffen, und
deren Triebe ſie ſo willig folgen? Wolte
nun GOtt auch denen das Buͤrger-Recht
des Himmels ſchencken, welche durch viele
boͤſe Thaten zu einer verſtockten Gewohn-
heit in Laſtern kommen; ſo wuͤrde der Him-
mel eben zu einer ſolchen unruhigen Woh-
nung werden, als dieſe Erde. Einer wuͤr-
de den andern beneiden, haſſen, verfolgen
und allen erſinnlichen Verdruß machen,
und die Tugendhafften wuͤrden dort nicht
viel gluͤckſeliger ſeyn, als in dieſen irdiſchen
Huͤtten. Stimmt es derowegen mit der
Geneigheit GOttes Geſchoͤpffe gluͤckſelig
zu machen nicht uͤberein, daß er derein-
ſten Fromme und Gottloſe von einander
trennet? Ja wuͤrde man daraus wol ei-
nen hoͤhern Grad der goͤttlichen Guͤte ab-
nehmen koͤnnen, wenn er die frommen En-

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[187[183]/0219] ruͤhren die vielen Unruhen dieſer Erden, welche ein Menſch dem andern macht. Woher entſtehen ſo viel Streitigkeiten? Warum hoͤrt man ſo viel beiſſende und ſreſſende Worte? Was bewegt die Sterb- lichen, die grauſamſten Gewehre gegen ein- ander zu gebrauchen? Was macht ſie ſo durſtig nach ihrer Bruͤder Blut? Sind es nicht die Laſter und boͤſen Neigungen, wel- chen die Menſchen ſich unterwerffen, und deren Triebe ſie ſo willig folgen? Wolte nun GOtt auch denen das Buͤrger-Recht des Himmels ſchencken, welche durch viele boͤſe Thaten zu einer verſtockten Gewohn- heit in Laſtern kommen; ſo wuͤrde der Him- mel eben zu einer ſolchen unruhigen Woh- nung werden, als dieſe Erde. Einer wuͤr- de den andern beneiden, haſſen, verfolgen und allen erſinnlichen Verdruß machen, und die Tugendhafften wuͤrden dort nicht viel gluͤckſeliger ſeyn, als in dieſen irdiſchen Huͤtten. Stimmt es derowegen mit der Geneigheit GOttes Geſchoͤpffe gluͤckſelig zu machen nicht uͤberein, daß er derein- ſten Fromme und Gottloſe von einander trennet? Ja wuͤrde man daraus wol ei- nen hoͤhern Grad der goͤttlichen Guͤte ab- nehmen koͤnnen, wenn er die frommen En- gel

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 187[183]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/219>, abgerufen am 26.11.2024.