gen, wie bey uns viele tausend geitzig sind, daß sie nur ein wenig Silber oder Gold an sich tragen können. Und wer wolte endlich zweiffeln, daß eine unerlaubte Be- gierde zu sinnlichen Wollüsten dorten zu einen Mißbrauch der Dinge, welche GOtt zur Belustigung der Sinne gemacht, Ge- legenheit geben könnte. Es ist auch gar nicht zu muthmassen, daß diejenigen, wel- che die Fesseln der bösen Begierden ein- mahl angeleget, selbige so gleich mit den Banden des sterblichen Leibes abschütteln solten. Hochmuth, Geitz und Wollust haben ihren Sitz in der Seele. Selbige bleibt auch nach dem Tode. Eben diesel- be Seele, welche hier einen Abscheu vor der Tugend gehabt, müste dahero auf ein- mahl ihren Geschmack ändern, sie müste dasjenige lieben, was sie so lange Jahre gehasset, sie müste verlassen und fliehen, was so viele Jahre ihr höchstes Gut ge- wesen. Wer nun bedenckt, was vor ein schwerer Kampff darzu gehöret, eingewur- tzelte Gewohnheiten zu besiegen: wer da bedencket, daß weder die härtesten Straf- fen noch die grösten Belohnungen, ein Ge- müth, so erst im Bösen verstockt ist, än- dern, der wird auch leicht begreiffen, daß
die
gen, wie bey uns viele tauſend geitzig ſind, daß ſie nur ein wenig Silber oder Gold an ſich tragen koͤnnen. Und wer wolte endlich zweiffeln, daß eine unerlaubte Be- gierde zu ſinnlichen Wolluͤſten dorten zu einen Mißbrauch der Dinge, welche GOtt zur Beluſtigung der Sinne gemacht, Ge- legenheit geben koͤnnte. Es iſt auch gar nicht zu muthmaſſen, daß diejenigen, wel- che die Feſſeln der boͤſen Begierden ein- mahl angeleget, ſelbige ſo gleich mit den Banden des ſterblichen Leibes abſchuͤtteln ſolten. Hochmuth, Geitz und Wolluſt haben ihren Sitz in der Seele. Selbige bleibt auch nach dem Tode. Eben dieſel- be Seele, welche hier einen Abſcheu vor der Tugend gehabt, muͤſte dahero auf ein- mahl ihren Geſchmack aͤndern, ſie muͤſte dasjenige lieben, was ſie ſo lange Jahre gehaſſet, ſie muͤſte verlaſſen und fliehen, was ſo viele Jahre ihr hoͤchſtes Gut ge- weſen. Wer nun bedenckt, was vor ein ſchwerer Kampff darzu gehoͤret, eingewur- tzelte Gewohnheiten zu beſiegen: wer da bedencket, daß weder die haͤrteſten Straf- fen noch die groͤſten Belohnungen, ein Ge- muͤth, ſo erſt im Boͤſen verſtockt iſt, aͤn- dern, der wird auch leicht begreiffen, daß
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[191[187]/0223]
gen, wie bey uns viele tauſend geitzig ſind,
daß ſie nur ein wenig Silber oder Gold
an ſich tragen koͤnnen. Und wer wolte
endlich zweiffeln, daß eine unerlaubte Be-
gierde zu ſinnlichen Wolluͤſten dorten zu
einen Mißbrauch der Dinge, welche GOtt
zur Beluſtigung der Sinne gemacht, Ge-
legenheit geben koͤnnte. Es iſt auch gar
nicht zu muthmaſſen, daß diejenigen, wel-
che die Feſſeln der boͤſen Begierden ein-
mahl angeleget, ſelbige ſo gleich mit den
Banden des ſterblichen Leibes abſchuͤtteln
ſolten. Hochmuth, Geitz und Wolluſt
haben ihren Sitz in der Seele. Selbige
bleibt auch nach dem Tode. Eben dieſel-
be Seele, welche hier einen Abſcheu vor
der Tugend gehabt, muͤſte dahero auf ein-
mahl ihren Geſchmack aͤndern, ſie muͤſte
dasjenige lieben, was ſie ſo lange Jahre
gehaſſet, ſie muͤſte verlaſſen und fliehen,
was ſo viele Jahre ihr hoͤchſtes Gut ge-
weſen. Wer nun bedenckt, was vor ein
ſchwerer Kampff darzu gehoͤret, eingewur-
tzelte Gewohnheiten zu beſiegen: wer da
bedencket, daß weder die haͤrteſten Straf-
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 191[187]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/223>, abgerufen am 26.11.2024.
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