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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

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Seele viele schmertzliche Empfindungen,
und verfällt endlich gar in eine Hand voll
Asche. Wir wollen auf die Folgen die-
ser Straffe sehen, damit wir die gütige
Absicht derselben entdecken können. Der
Mensch sündigte und wurde dadurch im-
mer geneigter zur Sünde. Dieses mach-
te ihn zum vernünfftigen, ruhigen, vergnüg-
ten und gesellschafftlichen Leben ziemlich
ungeschickt. Hochmuth, Geitz, unartige
Wollust, Neid, Haß und allerhand Saa-
men der Uneinigkeit schlugen in seinem
Hertzen tieffe Wurtzeln und brachten al-
lerhand unselige Früchte hervor. Die gü-
tige Vorsicht muste diesem Unkraut den
Safft, so weit es die Weisheit zuließ,
entziehen und den Wachsthum desselben
hindern. Sie ließ derowegen die Kinder
mit grossen Schmertzen und in besonderer
Schwachheit gebohren werden, sie trieb
ihn aus den Garten, in welchem er ohne
sonderliche Mühe seines Lebens Unterhalt
fand, sie setzte ihn auf einen Acker der Dor-
nen und Disteln trug und mit Schweiß
des menschlichen Angesichts muste befeuch-
tet werden, wann er solte Früchte zu des
Menschen Nahrung hervor bringen. Er
war auch nicht mehr sicher vor der Wuth

der
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Seele viele ſchmertzliche Empfindungen,
und verfaͤllt endlich gar in eine Hand voll
Aſche. Wir wollen auf die Folgen die-
ſer Straffe ſehen, damit wir die guͤtige
Abſicht derſelben entdecken koͤnnen. Der
Menſch ſuͤndigte und wurde dadurch im-
mer geneigter zur Suͤnde. Dieſes mach-
te ihn zum vernuͤnfftigen, ruhigen, vergnuͤg-
ten und geſellſchafftlichen Leben ziemlich
ungeſchickt. Hochmuth, Geitz, unartige
Wolluſt, Neid, Haß und allerhand Saa-
men der Uneinigkeit ſchlugen in ſeinem
Hertzen tieffe Wurtzeln und brachten al-
lerhand unſelige Fruͤchte hervor. Die guͤ-
tige Vorſicht muſte dieſem Unkraut den
Safft, ſo weit es die Weisheit zuließ,
entziehen und den Wachsthum deſſelben
hindern. Sie ließ derowegen die Kinder
mit groſſen Schmertzen und in beſonderer
Schwachheit gebohren werden, ſie trieb
ihn aus den Garten, in welchem er ohne
ſonderliche Muͤhe ſeines Lebens Unterhalt
fand, ſie ſetzte ihn auf einen Acker der Dor-
nen und Diſteln trug und mit Schweiß
des menſchlichen Angeſichts muſte befeuch-
tet werden, wann er ſolte Fruͤchte zu des
Menſchen Nahrung hervor bringen. Er
war auch nicht mehr ſicher vor der Wuth

der
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[195[191]/0227] Seele viele ſchmertzliche Empfindungen, und verfaͤllt endlich gar in eine Hand voll Aſche. Wir wollen auf die Folgen die- ſer Straffe ſehen, damit wir die guͤtige Abſicht derſelben entdecken koͤnnen. Der Menſch ſuͤndigte und wurde dadurch im- mer geneigter zur Suͤnde. Dieſes mach- te ihn zum vernuͤnfftigen, ruhigen, vergnuͤg- ten und geſellſchafftlichen Leben ziemlich ungeſchickt. Hochmuth, Geitz, unartige Wolluſt, Neid, Haß und allerhand Saa- men der Uneinigkeit ſchlugen in ſeinem Hertzen tieffe Wurtzeln und brachten al- lerhand unſelige Fruͤchte hervor. Die guͤ- tige Vorſicht muſte dieſem Unkraut den Safft, ſo weit es die Weisheit zuließ, entziehen und den Wachsthum deſſelben hindern. Sie ließ derowegen die Kinder mit groſſen Schmertzen und in beſonderer Schwachheit gebohren werden, ſie trieb ihn aus den Garten, in welchem er ohne ſonderliche Muͤhe ſeines Lebens Unterhalt fand, ſie ſetzte ihn auf einen Acker der Dor- nen und Diſteln trug und mit Schweiß des menſchlichen Angeſichts muſte befeuch- tet werden, wann er ſolte Fruͤchte zu des Menſchen Nahrung hervor bringen. Er war auch nicht mehr ſicher vor der Wuth der N 2

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 195[191]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/227>, abgerufen am 26.11.2024.