net. Wer niemahls in betrübten Umstän- den gewesen, wird durch das Elend eines andern nicht gar leicht, und auch nicht sehr gerühret werden. Wer aber selbst viel Widriges versucht und ausgestanden, dem werden durch die Einbildungs-Krafft bey Erblickung eines andern Elenden, sei- ne ehmahligen Schmertzen und Betrübniß wieder ins Gemüth gebracht, und daher entstehet denn bey einem solchen, ein Mit- leiden. Christus wird auf gleiche Weise barmhertzig und mitleidig gemacht. Durch ähnliche Ubungen hat er Gehorsam geler- net. Wir lesen dieses Ebr. 5. v. 8. und wiewol er GOttes Sohn war, hat er doch an dem, das er leidet, Gehorsam geler- net. Und da er vollendet ist, oder wie es eigentlicher lauten möchte, und da er (nachdem er nemlich durch allerhand Lei- den und Versuchungen geübet, und in sei- nen natürlichen Vollkommenheiten befesti- get worden) vollkommen worden, ist er worden allen, die ihm gehorsam sind, eine Ursache zur ewigen Seligkeit. Er solte nemlich vor die Sünde der gefallenen Men- schen genug thun: hierzu aber war nöthig, daß er selber keine Sünde hatte. Dahe- ro wurde er in solcher Unschuld gebohren,
als
net. Wer niemahls in betruͤbten Umſtaͤn- den geweſen, wird durch das Elend eines andern nicht gar leicht, und auch nicht ſehr geruͤhret werden. Wer aber ſelbſt viel Widriges verſucht und ausgeſtanden, dem werden durch die Einbildungs-Krafft bey Erblickung eines andern Elenden, ſei- ne ehmahligen Schmertzen und Betruͤbniß wieder ins Gemuͤth gebracht, und daher entſtehet denn bey einem ſolchen, ein Mit- leiden. Chriſtus wird auf gleiche Weiſe barmhertzig und mitleidig gemacht. Durch aͤhnliche Ubungen hat er Gehorſam geler- net. Wir leſen dieſes Ebr. 5. v. 8. und wiewol er GOttes Sohn war, hat er doch an dem, das er leidet, Gehorſam geler- net. Und da er vollendet iſt, oder wie es eigentlicher lauten moͤchte, und da er (nachdem er nemlich durch allerhand Lei- den und Verſuchungen geuͤbet, und in ſei- nen natuͤrlichen Vollkommenheiten befeſti- get worden) vollkommen worden, iſt er worden allen, die ihm gehorſam ſind, eine Urſache zur ewigen Seligkeit. Er ſolte nemlich vor die Suͤnde der gefallenen Men- ſchen genug thun: hierzu aber war noͤthig, daß er ſelber keine Suͤnde hatte. Dahe- ro wurde er in ſolcher Unſchuld gebohren,
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[216[212]/0248]
net. Wer niemahls in betruͤbten Umſtaͤn-
den geweſen, wird durch das Elend eines
andern nicht gar leicht, und auch nicht
ſehr geruͤhret werden. Wer aber ſelbſt
viel Widriges verſucht und ausgeſtanden,
dem werden durch die Einbildungs-Krafft
bey Erblickung eines andern Elenden, ſei-
ne ehmahligen Schmertzen und Betruͤbniß
wieder ins Gemuͤth gebracht, und daher
entſtehet denn bey einem ſolchen, ein Mit-
leiden. Chriſtus wird auf gleiche Weiſe
barmhertzig und mitleidig gemacht. Durch
aͤhnliche Ubungen hat er Gehorſam geler-
net. Wir leſen dieſes Ebr. 5. v. 8. und
wiewol er GOttes Sohn war, hat er doch
an dem, das er leidet, Gehorſam geler-
net. Und da er vollendet iſt, oder wie
es eigentlicher lauten moͤchte, und da er
(nachdem er nemlich durch allerhand Lei-
den und Verſuchungen geuͤbet, und in ſei-
nen natuͤrlichen Vollkommenheiten befeſti-
get worden) vollkommen worden, iſt er
worden allen, die ihm gehorſam ſind, eine
Urſache zur ewigen Seligkeit. Er ſolte
nemlich vor die Suͤnde der gefallenen Men-
ſchen genug thun: hierzu aber war noͤthig,
daß er ſelber keine Suͤnde hatte. Dahe-
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 216[212]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/248>, abgerufen am 11.05.2024.
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