Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite





Z. E. die Haupt-Quelle der bösen Be-
gierde zur Rache, welche sich auch bey
Kindern äussert, wird darinne zu suchen
seyn, daß die Rache eine so angenehme
Empfindung verursachet, welche von
allen andern Vorstellungen entweder gar
nicht oder mit grosser Mühe überwunden
wird.

§. 4.
Die Lust
und Un-
lust über
einige
Dinge ist
der See-
le noth-
wendig.

Daß uns nun aber diese Empfindung
angenehm, jene aber zuwider ist, schei-
net zwey Ursachen zu haben, nemlich
das innere Wesen der Seele, und ge-
wisse äussere Umstände. Es sind ge-
wisse Empfindungen und Vorstellungen,
welche allen Menschen ohne Abwechse-
lung eine Lust verursachen, und hinge-
gen sind andere, welche ihnen jederzeit
eine Unlust erregen. Dahin rechne ich
das Vergnügen, so uns unser Seyn
giebet, ingleichen die Unlust, welche uns
diejenige Empfindung verursachet, die
wir den Schmertz nennen. Jch muth-
masse, daß eine solche Lust und Unlust
weder allen Menschen gemein, noch
auch unveränderlich seyn würde, wenn
sie nicht in dem Wesen der Seele noth-
wendig gegründet wäre. Jch solte mey-
nen, daß wenn die Lust und Unlust
keine nothwendige Verknüpfung mit

dem





Z. E. die Haupt-Quelle der boͤſen Be-
gierde zur Rache, welche ſich auch bey
Kindern aͤuſſert, wird darinne zu ſuchen
ſeyn, daß die Rache eine ſo angenehme
Empfindung verurſachet, welche von
allen andern Vorſtellungen entweder gar
nicht oder mit groſſer Muͤhe uͤberwunden
wird.

§. 4.
Die Luſt
und Un-
luſt uͤber
einige
Dinge iſt
der See-
le noth-
wendig.

Daß uns nun aber dieſe Empfindung
angenehm, jene aber zuwider iſt, ſchei-
net zwey Urſachen zu haben, nemlich
das innere Weſen der Seele, und ge-
wiſſe aͤuſſere Umſtaͤnde. Es ſind ge-
wiſſe Empfindungen und Vorſtellungen,
welche allen Menſchen ohne Abwechſe-
lung eine Luſt verurſachen, und hinge-
gen ſind andere, welche ihnen jederzeit
eine Unluſt erregen. Dahin rechne ich
das Vergnuͤgen, ſo uns unſer Seyn
giebet, ingleichen die Unluſt, welche uns
diejenige Empfindung verurſachet, die
wir den Schmertz nennen. Jch muth-
maſſe, daß eine ſolche Luſt und Unluſt
weder allen Menſchen gemein, noch
auch unveraͤnderlich ſeyn wuͤrde, wenn
ſie nicht in dem Weſen der Seele noth-
wendig gegruͤndet waͤre. Jch ſolte mey-
nen, daß wenn die Luſt und Unluſt
keine nothwendige Verknuͤpfung mit

dem
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0280" n="248[244]"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Z. E. die Haupt-Quelle der bo&#x0364;&#x017F;en Be-<lb/>
gierde zur Rache, welche &#x017F;ich auch bey<lb/>
Kindern a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ert, wird darinne zu &#x017F;uchen<lb/>
&#x017F;eyn, daß die Rache eine &#x017F;o angenehme<lb/>
Empfindung verur&#x017F;achet, welche von<lb/>
allen andern Vor&#x017F;tellungen entweder gar<lb/>
nicht oder mit gro&#x017F;&#x017F;er Mu&#x0364;he u&#x0364;berwunden<lb/>
wird.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 4.</head><lb/>
            <note place="left">Die Lu&#x017F;t<lb/>
und Un-<lb/>
lu&#x017F;t u&#x0364;ber<lb/>
einige<lb/>
Dinge i&#x017F;t<lb/>
der See-<lb/>
le noth-<lb/>
wendig.</note>
            <p>Daß uns nun aber die&#x017F;e Empfindung<lb/>
angenehm, jene aber zuwider i&#x017F;t, &#x017F;chei-<lb/>
net zwey Ur&#x017F;achen zu haben, nemlich<lb/>
das innere We&#x017F;en der Seele, und ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;e a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ere Um&#x017F;ta&#x0364;nde. Es &#x017F;ind ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;e Empfindungen und Vor&#x017F;tellungen,<lb/>
welche allen Men&#x017F;chen ohne Abwech&#x017F;e-<lb/>
lung eine Lu&#x017F;t verur&#x017F;achen, und hinge-<lb/>
gen &#x017F;ind andere, welche ihnen jederzeit<lb/>
eine Unlu&#x017F;t erregen. Dahin rechne ich<lb/>
das Vergnu&#x0364;gen, &#x017F;o uns un&#x017F;er <hi rendition="#fr">Seyn</hi><lb/>
giebet, ingleichen die Unlu&#x017F;t, welche uns<lb/>
diejenige Empfindung verur&#x017F;achet, die<lb/>
wir den Schmertz nennen. Jch muth-<lb/>
ma&#x017F;&#x017F;e, daß eine &#x017F;olche Lu&#x017F;t und Unlu&#x017F;t<lb/>
weder allen Men&#x017F;chen gemein, noch<lb/>
auch unvera&#x0364;nderlich &#x017F;eyn wu&#x0364;rde, wenn<lb/>
&#x017F;ie nicht in dem We&#x017F;en der Seele noth-<lb/>
wendig gegru&#x0364;ndet wa&#x0364;re. Jch &#x017F;olte mey-<lb/>
nen, daß wenn die Lu&#x017F;t und Unlu&#x017F;t<lb/>
keine nothwendige Verknu&#x0364;pfung mit<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dem</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[248[244]/0280] Z. E. die Haupt-Quelle der boͤſen Be- gierde zur Rache, welche ſich auch bey Kindern aͤuſſert, wird darinne zu ſuchen ſeyn, daß die Rache eine ſo angenehme Empfindung verurſachet, welche von allen andern Vorſtellungen entweder gar nicht oder mit groſſer Muͤhe uͤberwunden wird. §. 4. Daß uns nun aber dieſe Empfindung angenehm, jene aber zuwider iſt, ſchei- net zwey Urſachen zu haben, nemlich das innere Weſen der Seele, und ge- wiſſe aͤuſſere Umſtaͤnde. Es ſind ge- wiſſe Empfindungen und Vorſtellungen, welche allen Menſchen ohne Abwechſe- lung eine Luſt verurſachen, und hinge- gen ſind andere, welche ihnen jederzeit eine Unluſt erregen. Dahin rechne ich das Vergnuͤgen, ſo uns unſer Seyn giebet, ingleichen die Unluſt, welche uns diejenige Empfindung verurſachet, die wir den Schmertz nennen. Jch muth- maſſe, daß eine ſolche Luſt und Unluſt weder allen Menſchen gemein, noch auch unveraͤnderlich ſeyn wuͤrde, wenn ſie nicht in dem Weſen der Seele noth- wendig gegruͤndet waͤre. Jch ſolte mey- nen, daß wenn die Luſt und Unluſt keine nothwendige Verknuͤpfung mit dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/280
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 248[244]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/280>, abgerufen am 21.11.2024.