dem Wesen der Seele hätte, es jemand, wie bey andern Dingen dahin bringen könte, daß ihn seine Würcklichkeit an und vor sich betrübte, und hingegen der Schmertz auf eine angenehme Weise kützelte, dessen sich aber bis hieher noch niemand rühmen können. Will man mir etwa die Exempel derjenigen entge- gen setzen, welche ihre Geburt verflu- chen und durch eine mörderische Hand in ihr voriges Nichts zu gehen meynen und wünschen: so antworte ich, daß solche die angenehme Empfindung, so ihnen ihr Seyn giebt, nicht verlohren. Denn sie gehen niemals mit Freuden aus diesem Leben, sondern mit dem grö- sten Verdruß, und nur alsdenn, wenn sie dafür halten, daß das Mißvergnü- gen, so ihnen widrige Umstände erregen, das Vergnügen, welches ihnen ihr Le- ben verursachet, bey weiten übertreffe, und ausser der Verzweifelung ist nichts, welches uns den Unlustvollen Wunsch auspressen solte: daß wir nicht seyn möchten!
§. 5.
Es ist aber nicht zwischen allen Vor-Das Ver- gnügen und Miß- vergnü- gen über stellungen und der Lust oder Unlust, welche sie erregen können, eine so nothwendi- ge Verbindung: sondern der Geschmack
von
Q 5
dem Weſen der Seele haͤtte, es jemand, wie bey andern Dingen dahin bringen koͤnte, daß ihn ſeine Wuͤrcklichkeit an und vor ſich betruͤbte, und hingegen der Schmertz auf eine angenehme Weiſe kuͤtzelte, deſſen ſich aber bis hieher noch niemand ruͤhmen koͤnnen. Will man mir etwa die Exempel derjenigen entge- gen ſetzen, welche ihre Geburt verflu- chen und durch eine moͤrderiſche Hand in ihr voriges Nichts zu gehen meynen und wuͤnſchen: ſo antworte ich, daß ſolche die angenehme Empfindung, ſo ihnen ihr Seyn giebt, nicht verlohren. Denn ſie gehen niemals mit Freuden aus dieſem Leben, ſondern mit dem groͤ- ſten Verdruß, und nur alsdenn, wenn ſie dafuͤr halten, daß das Mißvergnuͤ- gen, ſo ihnen widrige Umſtaͤnde erregen, das Vergnuͤgen, welches ihnen ihr Le- ben verurſachet, bey weiten uͤbertreffe, und auſſer der Verzweifelung iſt nichts, welches uns den Unluſtvollen Wunſch auspreſſen ſolte: daß wir nicht ſeyn moͤchten!
§. 5.
Es iſt aber nicht zwiſchen allen Vor-Das Ver- gnuͤgen und Miß- vergnuͤ- gen uͤber ſtellungen und der Luſt oder Unluſt, welche ſie erregen koͤnnen, eine ſo nothwendi- ge Verbindung: ſondern der Geſchmack
von
Q 5
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[249[245]/0281]
dem Weſen der Seele haͤtte, es jemand,
wie bey andern Dingen dahin bringen
koͤnte, daß ihn ſeine Wuͤrcklichkeit an
und vor ſich betruͤbte, und hingegen der
Schmertz auf eine angenehme Weiſe
kuͤtzelte, deſſen ſich aber bis hieher noch
niemand ruͤhmen koͤnnen. Will man
mir etwa die Exempel derjenigen entge-
gen ſetzen, welche ihre Geburt verflu-
chen und durch eine moͤrderiſche Hand
in ihr voriges Nichts zu gehen meynen
und wuͤnſchen: ſo antworte ich, daß
ſolche die angenehme Empfindung, ſo
ihnen ihr Seyn giebt, nicht verlohren.
Denn ſie gehen niemals mit Freuden
aus dieſem Leben, ſondern mit dem groͤ-
ſten Verdruß, und nur alsdenn, wenn
ſie dafuͤr halten, daß das Mißvergnuͤ-
gen, ſo ihnen widrige Umſtaͤnde erregen,
das Vergnuͤgen, welches ihnen ihr Le-
ben verurſachet, bey weiten uͤbertreffe,
und auſſer der Verzweifelung iſt nichts,
welches uns den Unluſtvollen Wunſch
auspreſſen ſolte: daß wir nicht ſeyn
moͤchten!
§. 5.
Es iſt aber nicht zwiſchen allen Vor-
ſtellungen und der Luſt oder Unluſt, welche
ſie erregen koͤnnen, eine ſo nothwendi-
ge Verbindung: ſondern der Geſchmack
von
Das Ver-
gnuͤgen
und Miß-
vergnuͤ-
gen uͤber
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 249[245]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/281>, abgerufen am 21.11.2024.
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