Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.Seele vorgehet, wird auch einen jeden leicht überführen, daß eben diese Einbil- dungskraft diejenige Lust und Unlust, welche wir ein- oder etlichemal bey einer Sache empfunden, wieder erreget, so bald die Vorstellung derselben in unse- rer Seele wieder enstehet. Es geschie- het dieses bisweilen so gar, wenn wir uns nicht einmal erinnern, wo und auf was Art diese Dinge ehemals in un- serem Gemüth bey einander gewesen. Jch will dieses nur mit einigen Exempeln erläutern. Sehen wir nebst einigen guten Freunden in einer Bibliotheck ein merckwürdiges Buch; und halten eine besondere Unterredung von demselben, und gelangen nach einiger Zeit an einen andern Ort, wo uns eben dasselbe Buch zu Gesichte kommt, so wird unsere Ein- bildungskraft bey dem Anblick dieses Buchs nicht nur das Bild der vorigen Bibliotheck, sondern auch der guten Freunde, mit welchen wir selbige bese- hen, und anderer Umstände in unserer Seele hervor bringen. Ferner ist uns jemand, gegen welchen wir eine zärtliche Liebe geheget, abgestorben, und es wer- den bey seinem Leich-Begängniß die Glo- cken geläutet und gewisse Lieder gesun- gen; so werden wir, wenn wir eine star- cke Einbildungskraft haben, eine ziem- liche
Seele vorgehet, wird auch einen jeden leicht uͤberfuͤhren, daß eben dieſe Einbil- dungskraft diejenige Luſt und Unluſt, welche wir ein- oder etlichemal bey einer Sache empfunden, wieder erreget, ſo bald die Vorſtellung derſelben in unſe- rer Seele wieder enſtehet. Es geſchie- het dieſes bisweilen ſo gar, wenn wir uns nicht einmal erinnern, wo und auf was Art dieſe Dinge ehemals in un- ſerem Gemuͤth bey einander geweſen. Jch will dieſes nur mit einigen Exempeln erlaͤutern. Sehen wir nebſt einigen guten Freunden in einer Bibliotheck ein merckwuͤrdiges Buch; und halten eine beſondere Unterredung von demſelben, und gelangen nach einiger Zeit an einen andern Ort, wo uns eben daſſelbe Buch zu Geſichte kommt, ſo wird unſere Ein- bildungskraft bey dem Anblick dieſes Buchs nicht nur das Bild der vorigen Bibliotheck, ſondern auch der guten Freunde, mit welchen wir ſelbige beſe- hen, und anderer Umſtaͤnde in unſerer Seele hervor bringen. Ferner iſt uns jemand, gegen welchen wir eine zaͤrtliche Liebe geheget, abgeſtorben, und es wer- den bey ſeinem Leich-Begaͤngniß die Glo- cken gelaͤutet und gewiſſe Lieder geſun- gen; ſo werden wir, wenn wir eine ſtar- cke Einbildungskraft haben, eine ziem- liche
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Seele vorgehet, wird auch einen jeden
leicht uͤberfuͤhren, daß eben dieſe Einbil-
dungskraft diejenige Luſt und Unluſt,
welche wir ein- oder etlichemal bey einer
Sache empfunden, wieder erreget, ſo
bald die Vorſtellung derſelben in unſe-
rer Seele wieder enſtehet. Es geſchie-
het dieſes bisweilen ſo gar, wenn wir
uns nicht einmal erinnern, wo und auf
was Art dieſe Dinge ehemals in un-
ſerem Gemuͤth bey einander geweſen.
Jch will dieſes nur mit einigen Exempeln
erlaͤutern. Sehen wir nebſt einigen
guten Freunden in einer Bibliotheck ein
merckwuͤrdiges Buch; und halten eine
beſondere Unterredung von demſelben,
und gelangen nach einiger Zeit an einen
andern Ort, wo uns eben daſſelbe Buch
zu Geſichte kommt, ſo wird unſere Ein-
bildungskraft bey dem Anblick dieſes
Buchs nicht nur das Bild der vorigen
Bibliotheck, ſondern auch der guten
Freunde, mit welchen wir ſelbige beſe-
hen, und anderer Umſtaͤnde in unſerer
Seele hervor bringen. Ferner iſt uns
jemand, gegen welchen wir eine zaͤrtliche
Liebe geheget, abgeſtorben, und es wer-
den bey ſeinem Leich-Begaͤngniß die Glo-
cken gelaͤutet und gewiſſe Lieder geſun-
gen; ſo werden wir, wenn wir eine ſtar-
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