Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite





den, als wenn man sie ihren Begierden
überliesse. Aber die Erfahrung lehret,
daß, wenn man ihren Verstand nicht ver-
bessern und sie zu einer lebendigen Ueber-
zeugung von der Heßlichkeit ihres Lasters
bringen kan, man sie unruhiger, mißver-
gnügter und unglücklicher macht, als
wenn man sie eine kurtze Lust geniessen und
mit vielen Schmertzen, ja mit Armuth
und Schande bezahlen lässet. Es sind
dergleichen Leute durch solche Einschrän-
ckungen öfters auf die unseeligsten Unter-
nehmungen verfallen, und man hat durch
gewaltsame Zwangmittel nicht sie, son-
dern nur die Familie und das gemeine
Wesen glücklicher gemacht.

§. 11.

Es scheinet also dieser Satz seine Rich-Kurtze
Wieder-
holung
des im
vorigen
erwiese-
nen
Haupt-
Satzes.

tigkeit zu haben: Wenn man freye Gei-
ster, die sich zum Bösen lencken, durch
beständige Gewalt von der Erfüllung ih-
rer Neigungen abhält und zum Guten
zwinget, und ihr Verstand ist nicht von
der betrübten Natur der Laster und der
vergnügenden Hoheit der Tugenden über-
führet; so macht man sie mißvergnügter
und dahero unseeliger, als wenn man sie
die Lust und das Verderben unweiser
Handlungen wechselsweise empfinden läs-
set. Und GOtt giebt dahero zu, daß sei-

ne





den, als wenn man ſie ihren Begierden
uͤberlieſſe. Aber die Erfahrung lehret,
daß, wenn man ihren Verſtand nicht ver-
beſſern und ſie zu einer lebendigen Ueber-
zeugung von der Heßlichkeit ihres Laſters
bringen kan, man ſie unruhiger, mißver-
gnuͤgter und ungluͤcklicher macht, als
wenn man ſie eine kurtze Luſt genieſſen und
mit vielen Schmertzen, ja mit Armuth
und Schande bezahlen laͤſſet. Es ſind
dergleichen Leute durch ſolche Einſchraͤn-
ckungen oͤfters auf die unſeeligſten Unter-
nehmungen verfallen, und man hat durch
gewaltſame Zwangmittel nicht ſie, ſon-
dern nur die Familie und das gemeine
Weſen gluͤcklicher gemacht.

§. 11.

Es ſcheinet alſo dieſer Satz ſeine Rich-Kurtze
Wieder-
holung
des im
vorigen
erwieſe-
nen
Haupt-
Satzes.

tigkeit zu haben: Wenn man freye Gei-
ſter, die ſich zum Boͤſen lencken, durch
beſtaͤndige Gewalt von der Erfuͤllung ih-
rer Neigungen abhaͤlt und zum Guten
zwinget, und ihr Verſtand iſt nicht von
der betruͤbten Natur der Laſter und der
vergnuͤgenden Hoheit der Tugenden uͤber-
fuͤhret; ſo macht man ſie mißvergnuͤgter
und dahero unſeeliger, als wenn man ſie
die Luſt und das Verderben unweiſer
Handlungen wechſelsweiſe empfinden laͤſ-
ſet. Und GOtt giebt dahero zu, daß ſei-

ne
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0331" n="299[295]"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
den, als wenn man &#x017F;ie ihren Begierden<lb/>
u&#x0364;berlie&#x017F;&#x017F;e. Aber die Erfahrung lehret,<lb/>
daß, wenn man ihren Ver&#x017F;tand nicht ver-<lb/>
be&#x017F;&#x017F;ern und &#x017F;ie zu einer lebendigen Ueber-<lb/>
zeugung von der Heßlichkeit ihres La&#x017F;ters<lb/>
bringen kan, man &#x017F;ie unruhiger, mißver-<lb/>
gnu&#x0364;gter und unglu&#x0364;cklicher macht, als<lb/>
wenn man &#x017F;ie eine kurtze Lu&#x017F;t genie&#x017F;&#x017F;en und<lb/>
mit vielen Schmertzen, ja mit Armuth<lb/>
und Schande bezahlen la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et. Es &#x017F;ind<lb/>
dergleichen Leute durch &#x017F;olche Ein&#x017F;chra&#x0364;n-<lb/>
ckungen o&#x0364;fters auf die un&#x017F;eelig&#x017F;ten Unter-<lb/>
nehmungen verfallen, und man hat durch<lb/>
gewalt&#x017F;ame Zwangmittel nicht &#x017F;ie, &#x017F;on-<lb/>
dern nur die Familie und das gemeine<lb/>
We&#x017F;en glu&#x0364;cklicher gemacht.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 11.</head><lb/>
            <p>Es &#x017F;cheinet al&#x017F;o die&#x017F;er Satz &#x017F;eine Rich-<note place="right">Kurtze<lb/>
Wieder-<lb/>
holung<lb/>
des im<lb/>
vorigen<lb/>
erwie&#x017F;e-<lb/>
nen<lb/>
Haupt-<lb/>
Satzes.</note><lb/>
tigkeit zu haben: Wenn man freye Gei-<lb/>
&#x017F;ter, die &#x017F;ich zum Bo&#x0364;&#x017F;en lencken, durch<lb/>
be&#x017F;ta&#x0364;ndige Gewalt von der Erfu&#x0364;llung ih-<lb/>
rer Neigungen abha&#x0364;lt und zum Guten<lb/>
zwinget, und ihr Ver&#x017F;tand i&#x017F;t nicht von<lb/>
der betru&#x0364;bten Natur der La&#x017F;ter und der<lb/>
vergnu&#x0364;genden Hoheit der Tugenden u&#x0364;ber-<lb/>
fu&#x0364;hret; &#x017F;o macht man &#x017F;ie mißvergnu&#x0364;gter<lb/>
und dahero un&#x017F;eeliger, als wenn man &#x017F;ie<lb/>
die Lu&#x017F;t und das Verderben unwei&#x017F;er<lb/>
Handlungen wech&#x017F;elswei&#x017F;e empfinden la&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;et. Und GOtt giebt dahero zu, daß &#x017F;ei-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ne</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[299[295]/0331] den, als wenn man ſie ihren Begierden uͤberlieſſe. Aber die Erfahrung lehret, daß, wenn man ihren Verſtand nicht ver- beſſern und ſie zu einer lebendigen Ueber- zeugung von der Heßlichkeit ihres Laſters bringen kan, man ſie unruhiger, mißver- gnuͤgter und ungluͤcklicher macht, als wenn man ſie eine kurtze Luſt genieſſen und mit vielen Schmertzen, ja mit Armuth und Schande bezahlen laͤſſet. Es ſind dergleichen Leute durch ſolche Einſchraͤn- ckungen oͤfters auf die unſeeligſten Unter- nehmungen verfallen, und man hat durch gewaltſame Zwangmittel nicht ſie, ſon- dern nur die Familie und das gemeine Weſen gluͤcklicher gemacht. §. 11. Es ſcheinet alſo dieſer Satz ſeine Rich- tigkeit zu haben: Wenn man freye Gei- ſter, die ſich zum Boͤſen lencken, durch beſtaͤndige Gewalt von der Erfuͤllung ih- rer Neigungen abhaͤlt und zum Guten zwinget, und ihr Verſtand iſt nicht von der betruͤbten Natur der Laſter und der vergnuͤgenden Hoheit der Tugenden uͤber- fuͤhret; ſo macht man ſie mißvergnuͤgter und dahero unſeeliger, als wenn man ſie die Luſt und das Verderben unweiſer Handlungen wechſelsweiſe empfinden laͤſ- ſet. Und GOtt giebt dahero zu, daß ſei- ne Kurtze Wieder- holung des im vorigen erwieſe- nen Haupt- Satzes.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/331
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 299[295]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/331>, abgerufen am 24.11.2024.