Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite





ne vernünftigen Geschöpfe verschiedene bö-
se Handlungen ausüben, und verstattet
öfters den Ausbruch ihrer bösen Neigun-
gen, weil bey gewaltsamer Verhinderung
desselben sein Endzweck, nemlich das
Vergnügen der Creatur, weniger erhalten
würde, als bey einer weisen Zulassung.

§. 12.
Wieder-
holung
der zwey-
ten
Haupt-
Frage.

Wenn denn also eine gewaltsame Ein-
schränckung aller bösen Neigungen freyer
Geschöpfe wider die Glückseeligkeit solcher
Geister und also wider die göttliche Ab-
sicht ist; so müssen wir ferner untersuchen,
warum sich GOtt nicht eines andern
Mittels bedienet, alle geschaffene Geister
vor dem Fall und vor dem Uebel, so daher
entspringet, zu bewahren? Warum hat
er ihnen nicht einen so hohen Grad der
Vernunft gegeben, vermöge welches sie
alle Dinge hätten richtig beurtheilen kön-
nen? Warum hat er sie nicht mit einer
solchen bedächtlichen Aufmercksamkeit ge-
zieret, welche niemals zugelassen, daß sie
sich übereilet hätten? Warum hat er ihr
Vermögen Dinge zu unterscheiden nicht
so durchdringend gemacht, daß sie nie-
mals das Böse für gut und das Gute für
etwas Böses angesehen? Warum hat er
den vernünftigen Urtheilen von der Voll-
kommenheit und Unvollkommenheit einer

Sache





ne vernuͤnftigen Geſchoͤpfe verſchiedene boͤ-
ſe Handlungen ausuͤben, und verſtattet
oͤfters den Ausbruch ihrer boͤſen Neigun-
gen, weil bey gewaltſamer Verhinderung
deſſelben ſein Endzweck, nemlich das
Vergnuͤgen der Creatur, weniger erhalten
wuͤrde, als bey einer weiſen Zulaſſung.

§. 12.
Wieder-
holung
der zwey-
ten
Haupt-
Frage.

Wenn denn alſo eine gewaltſame Ein-
ſchraͤnckung aller boͤſen Neigungen freyer
Geſchoͤpfe wider die Gluͤckſeeligkeit ſolcher
Geiſter und alſo wider die goͤttliche Ab-
ſicht iſt; ſo muͤſſen wir ferner unterſuchen,
warum ſich GOtt nicht eines andern
Mittels bedienet, alle geſchaffene Geiſter
vor dem Fall und vor dem Uebel, ſo daher
entſpringet, zu bewahren? Warum hat
er ihnen nicht einen ſo hohen Grad der
Vernunft gegeben, vermoͤge welches ſie
alle Dinge haͤtten richtig beurtheilen koͤn-
nen? Warum hat er ſie nicht mit einer
ſolchen bedaͤchtlichen Aufmerckſamkeit ge-
zieret, welche niemals zugelaſſen, daß ſie
ſich uͤbereilet haͤtten? Warum hat er ihr
Vermoͤgen Dinge zu unterſcheiden nicht
ſo durchdringend gemacht, daß ſie nie-
mals das Boͤſe fuͤr gut und das Gute fuͤr
etwas Boͤſes angeſehen? Warum hat er
den vernuͤnftigen Urtheilen von der Voll-
kommenheit und Unvollkommenheit einer

Sache
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0332" n="300[296]"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
ne vernu&#x0364;nftigen Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe ver&#x017F;chiedene bo&#x0364;-<lb/>
&#x017F;e Handlungen ausu&#x0364;ben, und ver&#x017F;tattet<lb/>
o&#x0364;fters den Ausbruch ihrer bo&#x0364;&#x017F;en Neigun-<lb/>
gen, weil bey gewalt&#x017F;amer Verhinderung<lb/>
de&#x017F;&#x017F;elben &#x017F;ein Endzweck, nemlich das<lb/>
Vergnu&#x0364;gen der Creatur, weniger erhalten<lb/>
wu&#x0364;rde, als bey einer wei&#x017F;en Zula&#x017F;&#x017F;ung.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 12.</head><lb/>
            <note place="left">Wieder-<lb/>
holung<lb/>
der zwey-<lb/>
ten<lb/>
Haupt-<lb/>
Frage.</note>
            <p>Wenn denn al&#x017F;o eine gewalt&#x017F;ame Ein-<lb/>
&#x017F;chra&#x0364;nckung aller bo&#x0364;&#x017F;en Neigungen freyer<lb/>
Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe wider die Glu&#x0364;ck&#x017F;eeligkeit &#x017F;olcher<lb/>
Gei&#x017F;ter und al&#x017F;o wider die go&#x0364;ttliche Ab-<lb/>
&#x017F;icht i&#x017F;t; &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir ferner unter&#x017F;uchen,<lb/>
warum &#x017F;ich GOtt nicht eines andern<lb/>
Mittels bedienet, alle ge&#x017F;chaffene Gei&#x017F;ter<lb/>
vor dem Fall und vor dem Uebel, &#x017F;o daher<lb/>
ent&#x017F;pringet, zu bewahren? Warum hat<lb/>
er ihnen nicht einen &#x017F;o hohen Grad der<lb/>
Vernunft gegeben, vermo&#x0364;ge welches &#x017F;ie<lb/>
alle Dinge ha&#x0364;tten richtig beurtheilen ko&#x0364;n-<lb/>
nen? Warum hat er &#x017F;ie nicht mit einer<lb/>
&#x017F;olchen beda&#x0364;chtlichen Aufmerck&#x017F;amkeit ge-<lb/>
zieret, welche niemals zugela&#x017F;&#x017F;en, daß &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich u&#x0364;bereilet ha&#x0364;tten? Warum hat er ihr<lb/>
Vermo&#x0364;gen Dinge zu unter&#x017F;cheiden nicht<lb/>
&#x017F;o durchdringend gemacht, daß &#x017F;ie nie-<lb/>
mals das Bo&#x0364;&#x017F;e fu&#x0364;r gut und das Gute fu&#x0364;r<lb/>
etwas Bo&#x0364;&#x017F;es ange&#x017F;ehen? Warum hat er<lb/>
den vernu&#x0364;nftigen Urtheilen von der Voll-<lb/>
kommenheit und Unvollkommenheit einer<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Sache</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[300[296]/0332] ne vernuͤnftigen Geſchoͤpfe verſchiedene boͤ- ſe Handlungen ausuͤben, und verſtattet oͤfters den Ausbruch ihrer boͤſen Neigun- gen, weil bey gewaltſamer Verhinderung deſſelben ſein Endzweck, nemlich das Vergnuͤgen der Creatur, weniger erhalten wuͤrde, als bey einer weiſen Zulaſſung. §. 12. Wenn denn alſo eine gewaltſame Ein- ſchraͤnckung aller boͤſen Neigungen freyer Geſchoͤpfe wider die Gluͤckſeeligkeit ſolcher Geiſter und alſo wider die goͤttliche Ab- ſicht iſt; ſo muͤſſen wir ferner unterſuchen, warum ſich GOtt nicht eines andern Mittels bedienet, alle geſchaffene Geiſter vor dem Fall und vor dem Uebel, ſo daher entſpringet, zu bewahren? Warum hat er ihnen nicht einen ſo hohen Grad der Vernunft gegeben, vermoͤge welches ſie alle Dinge haͤtten richtig beurtheilen koͤn- nen? Warum hat er ſie nicht mit einer ſolchen bedaͤchtlichen Aufmerckſamkeit ge- zieret, welche niemals zugelaſſen, daß ſie ſich uͤbereilet haͤtten? Warum hat er ihr Vermoͤgen Dinge zu unterſcheiden nicht ſo durchdringend gemacht, daß ſie nie- mals das Boͤſe fuͤr gut und das Gute fuͤr etwas Boͤſes angeſehen? Warum hat er den vernuͤnftigen Urtheilen von der Voll- kommenheit und Unvollkommenheit einer Sache

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/332
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 300[296]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/332>, abgerufen am 24.11.2024.