Da denn dieser Satz in der Offen- bahrung lieget: GOTT ist durch die Gnugthuung JEsu gegen die Menschen versöhnet worden, so wollen wir unter- suchen, was für ein Begriff, der GOtt anständig ist, mit diesen Worten zu ver- knüpfen sey. Auf der Erden finden wir eine zwiefache Versöhnung. Die eine setzt eine unvernünftige und heftige Ge- müthsbewegung zum voraus, welche aus einer würcklichen oder vermeinten Belei- digung eines andern entstanden, und nach verschiedenen Umständen den Nahmen des Zorns, Hasses und Rachbegierde be- kommt. Wenn selbige bey jemand ge- stillet und aufgehaben wird, so sagt man, er sey versöhnt worden. Die zweyte Art der Versöhnung aber entstehet, wenn jemand einen vernünftigen und rechtmäs- sigen Widerwillen gegen eines andern übeles Verhalten hat, und sich bewegen lässet diese widrige Neigung fahren zu lassen, und sich gegen den andern wie sonst zu bezeigen. Z. E. Ein Kind thut etwas unanständiges, und beleidiget da- durch den Vater, der Vater geräth dar- über in einen gerechten Eiffer wider das- selbe, und setzt sich für selbiges gehörig zu züchtigen; das Kind aber bezeugt ei- ne wahre Reue über sein Vergehen, und
stil-
§. 43.
Exempel einer Ver- ſoͤhnung.
Da denn dieſer Satz in der Offen- bahrung lieget: GOTT iſt durch die Gnugthuung JEſu gegen die Menſchen verſoͤhnet worden, ſo wollen wir unter- ſuchen, was fuͤr ein Begriff, der GOtt anſtaͤndig iſt, mit dieſen Worten zu ver- knuͤpfen ſey. Auf der Erden finden wir eine zwiefache Verſoͤhnung. Die eine ſetzt eine unvernuͤnftige und heftige Ge- muͤthsbewegung zum voraus, welche aus einer wuͤrcklichen oder vermeinten Belei- digung eines andern entſtanden, und nach verſchiedenen Umſtaͤnden den Nahmen des Zorns, Haſſes und Rachbegierde be- kommt. Wenn ſelbige bey jemand ge- ſtillet und aufgehaben wird, ſo ſagt man, er ſey verſoͤhnt worden. Die zweyte Art der Verſoͤhnung aber entſtehet, wenn jemand einen vernuͤnftigen und rechtmaͤſ- ſigen Widerwillen gegen eines andern uͤbeles Verhalten hat, und ſich bewegen laͤſſet dieſe widrige Neigung fahren zu laſſen, und ſich gegen den andern wie ſonſt zu bezeigen. Z. E. Ein Kind thut etwas unanſtaͤndiges, und beleidiget da- durch den Vater, der Vater geraͤth dar- uͤber in einen gerechten Eiffer wider daſ- ſelbe, und ſetzt ſich fuͤr ſelbiges gehoͤrig zu zuͤchtigen; das Kind aber bezeugt ei- ne wahre Reue uͤber ſein Vergehen, und
ſtil-
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[418[414]/0450]
§. 43.
Da denn dieſer Satz in der Offen-
bahrung lieget: GOTT iſt durch die
Gnugthuung JEſu gegen die Menſchen
verſoͤhnet worden, ſo wollen wir unter-
ſuchen, was fuͤr ein Begriff, der GOtt
anſtaͤndig iſt, mit dieſen Worten zu ver-
knuͤpfen ſey. Auf der Erden finden wir
eine zwiefache Verſoͤhnung. Die eine
ſetzt eine unvernuͤnftige und heftige Ge-
muͤthsbewegung zum voraus, welche aus
einer wuͤrcklichen oder vermeinten Belei-
digung eines andern entſtanden, und nach
verſchiedenen Umſtaͤnden den Nahmen
des Zorns, Haſſes und Rachbegierde be-
kommt. Wenn ſelbige bey jemand ge-
ſtillet und aufgehaben wird, ſo ſagt man,
er ſey verſoͤhnt worden. Die zweyte Art
der Verſoͤhnung aber entſtehet, wenn
jemand einen vernuͤnftigen und rechtmaͤſ-
ſigen Widerwillen gegen eines andern
uͤbeles Verhalten hat, und ſich bewegen
laͤſſet dieſe widrige Neigung fahren zu
laſſen, und ſich gegen den andern wie
ſonſt zu bezeigen. Z. E. Ein Kind thut
etwas unanſtaͤndiges, und beleidiget da-
durch den Vater, der Vater geraͤth dar-
uͤber in einen gerechten Eiffer wider daſ-
ſelbe, und ſetzt ſich fuͤr ſelbiges gehoͤrig
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 418[414]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/450>, abgerufen am 24.11.2024.
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