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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.

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dicta non sunt absolute, sed moraliter uni-
versalia
) Wir finden daher von diesem Aus-
spruch eine Ausnahme, 1. Cor. Cap. 7. v. 15.
wo einer Abgescheideten zu heirathen erlaubt
wird, ohne eine Ehebrecherin zu werden, nem-
lich in dem Fall, da sie ein unglaubiger Mann
der Religion wegen verstossen hat. Wenn
man aber den Ausspruch Christi also an-
nimmt, daß er dasjenige ausdrücket, was
insgemein geschehen und wahr gewesen, so
wird man finden, daß er nicht zu hart sey.
Wenn damahls Scheidungen vorgiengen,
so waren insgemein Mann und Frau zu-
gleich Ursach daran. Eine Frau, die da hoff-
te einem andern Mann zu erjagen, gab dem
ersten wenig gute Worte, und bemühete sich
folglich nicht die Scheidung durch ein gutes
Betragen und Nachgeben zu verhüten, son-
dern wenn der Mann mit dem Scheide-Brie-
fe drohete, so forderte sie ihn so gar. Einige
Weiber giengen so weit, daß, wenn sie einen
fremden Mann fanden, der ihnen besser ge-
fiel, denn ihr eigener, sie mit Fleiß diesem so
viel Verdruß machten, daß er endlich einen
Scheide-Brief schrieb. So gieng es insge-
mein mit den Ehe-Scheidungen her. Jst
es aber bey diesen Umständen zu hart, wenn
Christus auch die abgescheideten Frauen, so
wie sie insgemein waren, wenn sie sich wie-
der mit einen andern verehlichten, für Ehe-
brecherinnen erkläret? Tugendhafte Weiber
und die den Ehe-Stand für heilig hielten,
wurden nicht leicht geschieden. Wenn sel-
bige auch gleich mit ihrem Manne in Miß-
verständniß geriethen, so suchten sie densel-
ben wieder zu gewinnen und sich mit ihm zu
versöhnen. Jst aber ja einer solchen Per-
son


dicta non ſunt abſolute, ſed moraliter uni-
verſalia
) Wir finden daher von dieſem Aus-
ſpruch eine Ausnahme, 1. Cor. Cap. 7. v. 15.
wo einer Abgeſcheideten zu heirathen erlaubt
wird, ohne eine Ehebrecherin zu werden, nem-
lich in dem Fall, da ſie ein unglaubiger Mann
der Religion wegen verſtoſſen hat. Wenn
man aber den Ausſpruch Chriſti alſo an-
nimmt, daß er dasjenige ausdruͤcket, was
insgemein geſchehen und wahr geweſen, ſo
wird man finden, daß er nicht zu hart ſey.
Wenn damahls Scheidungen vorgiengen,
ſo waren insgemein Mann und Frau zu-
gleich Urſach daran. Eine Frau, die da hoff-
te einem andern Mann zu erjagen, gab dem
erſten wenig gute Worte, und bemuͤhete ſich
folglich nicht die Scheidung durch ein gutes
Betragen und Nachgeben zu verhuͤten, ſon-
dern wenn der Mann mit dem Scheide-Brie-
fe drohete, ſo forderte ſie ihn ſo gar. Einige
Weiber giengen ſo weit, daß, wenn ſie einen
fremden Mann fanden, der ihnen beſſer ge-
fiel, denn ihr eigener, ſie mit Fleiß dieſem ſo
viel Verdruß machten, daß er endlich einen
Scheide-Brief ſchrieb. So gieng es insge-
mein mit den Ehe-Scheidungen her. Jſt
es aber bey dieſen Umſtaͤnden zu hart, wenn
Chriſtus auch die abgeſcheideten Frauen, ſo
wie ſie insgemein waren, wenn ſie ſich wie-
der mit einen andern verehlichten, fuͤr Ehe-
brecherinnen erklaͤret? Tugendhafte Weiber
und die den Ehe-Stand fuͤr heilig hielten,
wurden nicht leicht geſchieden. Wenn ſel-
bige auch gleich mit ihrem Manne in Miß-
verſtaͤndniß geriethen, ſo ſuchten ſie denſel-
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verſoͤhnen. Jſt aber ja einer ſolchen Per-
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[228/0246] (*) (*) dicta non ſunt abſolute, ſed moraliter uni- verſalia) Wir finden daher von dieſem Aus- ſpruch eine Ausnahme, 1. Cor. Cap. 7. v. 15. wo einer Abgeſcheideten zu heirathen erlaubt wird, ohne eine Ehebrecherin zu werden, nem- lich in dem Fall, da ſie ein unglaubiger Mann der Religion wegen verſtoſſen hat. Wenn man aber den Ausſpruch Chriſti alſo an- nimmt, daß er dasjenige ausdruͤcket, was insgemein geſchehen und wahr geweſen, ſo wird man finden, daß er nicht zu hart ſey. Wenn damahls Scheidungen vorgiengen, ſo waren insgemein Mann und Frau zu- gleich Urſach daran. Eine Frau, die da hoff- te einem andern Mann zu erjagen, gab dem erſten wenig gute Worte, und bemuͤhete ſich folglich nicht die Scheidung durch ein gutes Betragen und Nachgeben zu verhuͤten, ſon- dern wenn der Mann mit dem Scheide-Brie- fe drohete, ſo forderte ſie ihn ſo gar. Einige Weiber giengen ſo weit, daß, wenn ſie einen fremden Mann fanden, der ihnen beſſer ge- fiel, denn ihr eigener, ſie mit Fleiß dieſem ſo viel Verdruß machten, daß er endlich einen Scheide-Brief ſchrieb. So gieng es insge- mein mit den Ehe-Scheidungen her. Jſt es aber bey dieſen Umſtaͤnden zu hart, wenn Chriſtus auch die abgeſcheideten Frauen, ſo wie ſie insgemein waren, wenn ſie ſich wie- der mit einen andern verehlichten, fuͤr Ehe- brecherinnen erklaͤret? Tugendhafte Weiber und die den Ehe-Stand fuͤr heilig hielten, wurden nicht leicht geſchieden. Wenn ſel- bige auch gleich mit ihrem Manne in Miß- verſtaͤndniß geriethen, ſo ſuchten ſie denſel- ben wieder zu gewinnen und ſich mit ihm zu verſoͤhnen. Jſt aber ja einer ſolchen Per- ſon

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/246>, abgerufen am 09.11.2024.