Wir hätten nunmehr unserm EndzweckOb unter den ersten Christen die Viel- weiberey gewesen. ein Genüge geleistet, und die Absicht, war- um GOtt die Vielweiberey unter seinem Volcke eine so lange Zeit nachgesehen, aus sichern Gründen hergeleitet. Weil aber bey dieser Materie noch einige Fragen pfle- gen vorgebracht und abgehandelt zu wer- den, so wollen wir unsere Gedancken über selbige kürtzlich hier beyfügen. Es pfiegt bey dieser Materie gefragt zu werden, ob unter den ersten Christen gar keine Exempel von einer Vielweiberey sollten gewesen seyn. Diejenigen, welche dafür halten, daß die Vielweiberey auch bey dem Christenthum erlaubt sey, pflegen anzunehmen, daß selbi- ge bey den ersten Christen noch gewöhnlich gewesen. Dieses zu beweisen, machen sie folgenden Schluß. Die Vielweiberey ist zu den Zeiten Christi und seiner Apo- stel so wol unter den Juden als vielen andern Völckern noch gewöhnlich ge- wesen. Nun ist höchst wahrschein- lich, daß dergleichen Männer gleich an- fänglich sind bekehret worden, die mehr als eine Frau gehabt. Man findet kei-
nen
P 5
§. 21.
Wir haͤtten nunmehr unſerm EndzweckOb unter den erſten Chriſten die Viel- weiberey geweſen. ein Genuͤge geleiſtet, und die Abſicht, war- um GOtt die Vielweiberey unter ſeinem Volcke eine ſo lange Zeit nachgeſehen, aus ſichern Gruͤnden hergeleitet. Weil aber bey dieſer Materie noch einige Fragen pfle- gen vorgebracht und abgehandelt zu wer- den, ſo wollen wir unſere Gedancken uͤber ſelbige kuͤrtzlich hier beyfuͤgen. Es pfiegt bey dieſer Materie gefragt zu werden, ob unter den erſten Chriſten gar keine Exempel von einer Vielweiberey ſollten geweſen ſeyn. Diejenigen, welche dafuͤr halten, daß die Vielweiberey auch bey dem Chriſtenthum erlaubt ſey, pflegen anzunehmen, daß ſelbi- ge bey den erſten Chriſten noch gewoͤhnlich geweſen. Dieſes zu beweiſen, machen ſie folgenden Schluß. Die Vielweiberey iſt zu den Zeiten Chriſti und ſeiner Apo- ſtel ſo wol unter den Juden als vielen andern Voͤlckern noch gewoͤhnlich ge- weſen. Nun iſt hoͤchſt wahrſchein- lich, daß dergleichen Maͤnner gleich an- faͤnglich ſind bekehret worden, die mehr als eine Frau gehabt. Man findet kei-
nen
P 5
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0251"n="233"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head>§. 21.</head><lb/><p>Wir haͤtten nunmehr unſerm Endzweck<noteplace="right">Ob unter<lb/>
den erſten<lb/>
Chriſten<lb/>
die Viel-<lb/>
weiberey<lb/>
geweſen.</note><lb/>
ein Genuͤge geleiſtet, und die Abſicht, war-<lb/>
um GOtt die Vielweiberey unter ſeinem<lb/>
Volcke eine ſo lange Zeit nachgeſehen, aus<lb/>ſichern Gruͤnden hergeleitet. Weil aber<lb/>
bey dieſer Materie noch einige Fragen pfle-<lb/>
gen vorgebracht und abgehandelt zu wer-<lb/>
den, ſo wollen wir unſere Gedancken uͤber<lb/>ſelbige kuͤrtzlich hier beyfuͤgen. Es pfiegt<lb/>
bey dieſer Materie gefragt zu werden, ob<lb/>
unter den erſten Chriſten gar keine Exempel<lb/>
von einer Vielweiberey ſollten geweſen ſeyn.<lb/>
Diejenigen, welche dafuͤr halten, daß die<lb/>
Vielweiberey auch bey dem Chriſtenthum<lb/>
erlaubt ſey, pflegen anzunehmen, daß ſelbi-<lb/>
ge bey den erſten Chriſten noch gewoͤhnlich<lb/>
geweſen. Dieſes zu beweiſen, machen ſie<lb/>
folgenden Schluß. <hirendition="#fr">Die Vielweiberey<lb/>
iſt zu den Zeiten Chriſti und ſeiner Apo-<lb/>ſtel ſo wol unter den Juden als vielen<lb/>
andern Voͤlckern noch gewoͤhnlich ge-<lb/>
weſen. Nun iſt hoͤchſt wahrſchein-<lb/>
lich, daß dergleichen Maͤnner gleich an-<lb/>
faͤnglich ſind bekehret worden, die mehr<lb/>
als eine Frau gehabt. Man findet kei-</hi><lb/><fwplace="bottom"type="sig">P 5</fw><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">nen</hi></fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[233/0251]
§. 21.
Wir haͤtten nunmehr unſerm Endzweck
ein Genuͤge geleiſtet, und die Abſicht, war-
um GOtt die Vielweiberey unter ſeinem
Volcke eine ſo lange Zeit nachgeſehen, aus
ſichern Gruͤnden hergeleitet. Weil aber
bey dieſer Materie noch einige Fragen pfle-
gen vorgebracht und abgehandelt zu wer-
den, ſo wollen wir unſere Gedancken uͤber
ſelbige kuͤrtzlich hier beyfuͤgen. Es pfiegt
bey dieſer Materie gefragt zu werden, ob
unter den erſten Chriſten gar keine Exempel
von einer Vielweiberey ſollten geweſen ſeyn.
Diejenigen, welche dafuͤr halten, daß die
Vielweiberey auch bey dem Chriſtenthum
erlaubt ſey, pflegen anzunehmen, daß ſelbi-
ge bey den erſten Chriſten noch gewoͤhnlich
geweſen. Dieſes zu beweiſen, machen ſie
folgenden Schluß. Die Vielweiberey
iſt zu den Zeiten Chriſti und ſeiner Apo-
ſtel ſo wol unter den Juden als vielen
andern Voͤlckern noch gewoͤhnlich ge-
weſen. Nun iſt hoͤchſt wahrſchein-
lich, daß dergleichen Maͤnner gleich an-
faͤnglich ſind bekehret worden, die mehr
als eine Frau gehabt. Man findet kei-
nen
Ob unter
den erſten
Chriſten
die Viel-
weiberey
geweſen.
P 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/251>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.