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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.

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das Ziel vieler tausend Dinge aufgeho-
ben. Es sey folglich vieles einem blinden
Zufall unterworfen, den der grosse Be-
herrscher der Welt nicht vorher gesehen.
Meine Einbildungs-Krafft verband hie-
mit einen andern Satz dieses gelehrten
Mannes, da er annimmet, GOtt werde
nach und nach alle mögliche Welten her-
vor bringen, und sahe als einen nothwen-
digen Schluß dieser Sätze an: Der
Schöpfer werde durch vielfältige Versuche
heraus bringen, welche die beste Welt, so
vor andern zu wehlen. Jch hatte diese
Sätze schon lange gewust, und niemahls
hatten sie mich in Unruhe gesetzt. Es war
mir auch ehmahls leicht gewesen, academi-
sche Zuhörer von dem Gegentheil zu über-
zeugen. Anjetzt setzten sie mich in die grö-
ste Verwirrung. Jch gedachte an die
Aertzte, welche um durch Versuche ihre
Erkenntniß zu erweitern, allerhand Thie-
re mit vieler Sorgfalt futtern, damit sie
bald ein schwangeres Mutter-Thier, bald
ein Saamen-reiches Männchen, bald eine
jetzt-gebohrne Frucht, bald ein beglucktes
Ey öffnen und die innern Bewegungen
wahrnehmen können. Besonders fiel mir

jener



das Ziel vieler tauſend Dinge aufgeho-
ben. Es ſey folglich vieles einem blinden
Zufall unterworfen, den der groſſe Be-
herrſcher der Welt nicht vorher geſehen.
Meine Einbildungs-Krafft verband hie-
mit einen andern Satz dieſes gelehrten
Mannes, da er annimmet, GOtt werde
nach und nach alle moͤgliche Welten her-
vor bringen, und ſahe als einen nothwen-
digen Schluß dieſer Saͤtze an: Der
Schoͤpfer werde durch vielfaͤltige Verſuche
heraus bringen, welche die beſte Welt, ſo
vor andern zu wehlen. Jch hatte dieſe
Saͤtze ſchon lange gewuſt, und niemahls
hatten ſie mich in Unruhe geſetzt. Es war
mir auch ehmahls leicht geweſen, academi-
ſche Zuhoͤrer von dem Gegentheil zu uͤber-
zeugen. Anjetzt ſetzten ſie mich in die groͤ-
ſte Verwirrung. Jch gedachte an die
Aertzte, welche um durch Verſuche ihre
Erkenntniß zu erweitern, allerhand Thie-
re mit vieler Sorgfalt futtern, damit ſie
bald ein ſchwangeres Mutter-Thier, bald
ein Saamen-reiches Maͤnnchen, bald eine
jetzt-gebohrne Frucht, bald ein beglucktes
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[264/0282] das Ziel vieler tauſend Dinge aufgeho- ben. Es ſey folglich vieles einem blinden Zufall unterworfen, den der groſſe Be- herrſcher der Welt nicht vorher geſehen. Meine Einbildungs-Krafft verband hie- mit einen andern Satz dieſes gelehrten Mannes, da er annimmet, GOtt werde nach und nach alle moͤgliche Welten her- vor bringen, und ſahe als einen nothwen- digen Schluß dieſer Saͤtze an: Der Schoͤpfer werde durch vielfaͤltige Verſuche heraus bringen, welche die beſte Welt, ſo vor andern zu wehlen. Jch hatte dieſe Saͤtze ſchon lange gewuſt, und niemahls hatten ſie mich in Unruhe geſetzt. Es war mir auch ehmahls leicht geweſen, academi- ſche Zuhoͤrer von dem Gegentheil zu uͤber- zeugen. Anjetzt ſetzten ſie mich in die groͤ- ſte Verwirrung. Jch gedachte an die Aertzte, welche um durch Verſuche ihre Erkenntniß zu erweitern, allerhand Thie- re mit vieler Sorgfalt futtern, damit ſie bald ein ſchwangeres Mutter-Thier, bald ein Saamen-reiches Maͤnnchen, bald eine jetzt-gebohrne Frucht, bald ein beglucktes Ey oͤffnen und die innern Bewegungen wahrnehmen koͤnnen. Beſonders fiel mir jener

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/282>, abgerufen am 24.11.2024.