Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.

Bild:
<< vorherige Seite



trübe Morgenröthe ein trüber Tag? Ob
also gleich eines jeden natürliche Einsicht
mit allerhand Jrrthümern vermischt ist, so
ist sie dennoch zu Erklärung der Schrift
und folglich zu der Erkenntniß der Glau-
bens-Lehren unumgänglich nothwendig.
Nur ist zu untersuchen, wie weit man sich
auf selbige verlassen könne, und wie weit
ihr Gebrauch gehe.

§. VII.

Wie weit man sich auf die Vernunft,Ob sich ein
jeder auf
seine eige-
ne Einsicht
verlassen
könne?

von welcher wir hier reden, verlassen kön-
ne, halte ich für die allerschwereste Frage,
welche vollkommen zu beantworten ich mich
noch nicht unterstehe. Jch halte dafür,
daß diese Materie würdig wäre von mehr
als einem Gelehrten mit rechtem Nachsin-
nen untersucht und abgehandelt zu werden.
Diejenigen, welche die Gewißheit und den
Gebrauch der Vernunft in der Offenba-
rung bisher gelobt und angepriesen, reden
von einer reinen Vernunft, von einer Ver-
nunft, welche, wenn sie recht angestrenget
wird, sich für Jrrthümer hüten, und selbi-
gen völlig ausbeugen könne. Sie haben
sich die Vernunft gebildet nicht, wie sie in

dem



truͤbe Morgenroͤthe ein truͤber Tag? Ob
alſo gleich eines jeden natuͤrliche Einſicht
mit allerhand Jrrthuͤmern vermiſcht iſt, ſo
iſt ſie dennoch zu Erklaͤrung der Schrift
und folglich zu der Erkenntniß der Glau-
bens-Lehren unumgaͤnglich nothwendig.
Nur iſt zu unterſuchen, wie weit man ſich
auf ſelbige verlaſſen koͤnne, und wie weit
ihr Gebrauch gehe.

§. VII.

Wie weit man ſich auf die Vernunft,Ob ſich ein
jeder auf
ſeine eige-
ne Einſicht
verlaſſen
koͤnne?

von welcher wir hier reden, verlaſſen koͤn-
ne, halte ich fuͤr die allerſchwereſte Frage,
welche vollkommen zu beantworten ich mich
noch nicht unterſtehe. Jch halte dafuͤr,
daß dieſe Materie wuͤrdig waͤre von mehr
als einem Gelehrten mit rechtem Nachſin-
nen unterſucht und abgehandelt zu werden.
Diejenigen, welche die Gewißheit und den
Gebrauch der Vernunft in der Offenba-
rung bisher gelobt und angeprieſen, reden
von einer reinen Vernunft, von einer Ver-
nunft, welche, wenn ſie recht angeſtrenget
wird, ſich fuͤr Jrrthuͤmer huͤten, und ſelbi-
gen voͤllig ausbeugen koͤnne. Sie haben
ſich die Vernunft gebildet nicht, wie ſie in

dem
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0031" n="13"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
tru&#x0364;be Morgenro&#x0364;the ein tru&#x0364;ber Tag? Ob<lb/>
al&#x017F;o gleich eines jeden natu&#x0364;rliche Ein&#x017F;icht<lb/>
mit allerhand Jrrthu&#x0364;mern vermi&#x017F;cht i&#x017F;t, &#x017F;o<lb/>
i&#x017F;t &#x017F;ie dennoch zu Erkla&#x0364;rung der Schrift<lb/>
und folglich zu der Erkenntniß der Glau-<lb/>
bens-Lehren unumga&#x0364;nglich nothwendig.<lb/>
Nur i&#x017F;t zu unter&#x017F;uchen, wie weit man &#x017F;ich<lb/>
auf &#x017F;elbige verla&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nne, und wie weit<lb/>
ihr Gebrauch gehe.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. <hi rendition="#aq">VII.</hi></head><lb/>
          <p>Wie weit man &#x017F;ich auf die Vernunft,<note place="right">Ob &#x017F;ich ein<lb/>
jeder auf<lb/>
&#x017F;eine eige-<lb/>
ne Ein&#x017F;icht<lb/>
verla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ko&#x0364;nne?</note><lb/>
von welcher wir hier reden, verla&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;n-<lb/>
ne, halte ich fu&#x0364;r die aller&#x017F;chwere&#x017F;te Frage,<lb/>
welche vollkommen zu beantworten ich mich<lb/>
noch nicht unter&#x017F;tehe. Jch halte dafu&#x0364;r,<lb/>
daß die&#x017F;e Materie wu&#x0364;rdig wa&#x0364;re von mehr<lb/>
als einem Gelehrten mit rechtem Nach&#x017F;in-<lb/>
nen unter&#x017F;ucht und abgehandelt zu werden.<lb/>
Diejenigen, welche die Gewißheit und den<lb/>
Gebrauch der Vernunft in der Offenba-<lb/>
rung bisher gelobt und angeprie&#x017F;en, reden<lb/>
von einer reinen Vernunft, von einer Ver-<lb/>
nunft, welche, wenn &#x017F;ie recht ange&#x017F;trenget<lb/>
wird, &#x017F;ich fu&#x0364;r Jrrthu&#x0364;mer hu&#x0364;ten, und &#x017F;elbi-<lb/>
gen vo&#x0364;llig ausbeugen ko&#x0364;nne. Sie haben<lb/>
&#x017F;ich die Vernunft gebildet nicht, wie &#x017F;ie in<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dem</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[13/0031] truͤbe Morgenroͤthe ein truͤber Tag? Ob alſo gleich eines jeden natuͤrliche Einſicht mit allerhand Jrrthuͤmern vermiſcht iſt, ſo iſt ſie dennoch zu Erklaͤrung der Schrift und folglich zu der Erkenntniß der Glau- bens-Lehren unumgaͤnglich nothwendig. Nur iſt zu unterſuchen, wie weit man ſich auf ſelbige verlaſſen koͤnne, und wie weit ihr Gebrauch gehe. §. VII. Wie weit man ſich auf die Vernunft, von welcher wir hier reden, verlaſſen koͤn- ne, halte ich fuͤr die allerſchwereſte Frage, welche vollkommen zu beantworten ich mich noch nicht unterſtehe. Jch halte dafuͤr, daß dieſe Materie wuͤrdig waͤre von mehr als einem Gelehrten mit rechtem Nachſin- nen unterſucht und abgehandelt zu werden. Diejenigen, welche die Gewißheit und den Gebrauch der Vernunft in der Offenba- rung bisher gelobt und angeprieſen, reden von einer reinen Vernunft, von einer Ver- nunft, welche, wenn ſie recht angeſtrenget wird, ſich fuͤr Jrrthuͤmer huͤten, und ſelbi- gen voͤllig ausbeugen koͤnne. Sie haben ſich die Vernunft gebildet nicht, wie ſie in dem Ob ſich ein jeder auf ſeine eige- ne Einſicht verlaſſen koͤnne?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/31
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/31>, abgerufen am 03.12.2024.