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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.

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und der wahre Sinn derselben sey, oder
wir müssen die Vernunft, davon wir jetzt
reden dazu gebrauchen. Welches von
beyden ist zu wehlen? Jch hoffe, man wird
für billiger halten, daß man sich seiner na-
türlichen Einsicht bediene, die wahre Of-
fenbarung und deren Sinn zu erforschen,
als diese Untersuchung wie etwas Unnützes
oder wohl gar Schädliches zu fliehen.
JEsus giebt selbst die Anleitung in der
Schrift zu suchen oder zu forschen, Joh. 5.
v. 39. Wie kan aber dieses geschehen oh-
ne Anwendung der natürlichen Einsicht in
die Sprache, darinne man die Offenba-
rung lieset und in die Alterthümer, wie
auch in diejenigen Dinge, so immer in der
menschlichen Gesellschafft vorkommen?
Die Offenbarung ordnet allerdings die
Erkenntniß solcher Dinge vorher. Se-
tzet GOtt in seiner beweglichen Versiche-
rung seiner gnädigen Vorsehung bey dem
Jes. 49. v. 15. nicht zum Voraus, daß
man ohne Offenbarung die Zärtlichkeit ei-
ner mütterlichen Liebe kenne? Setzet Chri-
stus in seiner Rede Matth. 16. v. 2. nicht
zum Voraus, daß man wisse, auf eine helle
Abendröthe folge ein heiter, und auf eine

trübe



und der wahre Sinn derſelben ſey, oder
wir muͤſſen die Vernunft, davon wir jetzt
reden dazu gebrauchen. Welches von
beyden iſt zu wehlen? Jch hoffe, man wird
fuͤr billiger halten, daß man ſich ſeiner na-
tuͤrlichen Einſicht bediene, die wahre Of-
fenbarung und deren Sinn zu erforſchen,
als dieſe Unterſuchung wie etwas Unnuͤtzes
oder wohl gar Schaͤdliches zu fliehen.
JEſus giebt ſelbſt die Anleitung in der
Schrift zu ſuchen oder zu forſchen, Joh. 5.
v. 39. Wie kan aber dieſes geſchehen oh-
ne Anwendung der natuͤrlichen Einſicht in
die Sprache, darinne man die Offenba-
rung lieſet und in die Alterthuͤmer, wie
auch in diejenigen Dinge, ſo immer in der
menſchlichen Geſellſchafft vorkommen?
Die Offenbarung ordnet allerdings die
Erkenntniß ſolcher Dinge vorher. Se-
tzet GOtt in ſeiner beweglichen Verſiche-
rung ſeiner gnaͤdigen Vorſehung bey dem
Jeſ. 49. v. 15. nicht zum Voraus, daß
man ohne Offenbarung die Zaͤrtlichkeit ei-
ner muͤtterlichen Liebe kenne? Setzet Chri-
ſtus in ſeiner Rede Matth. 16. v. 2. nicht
zum Voraus, daß man wiſſe, auf eine helle
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[12/0030] und der wahre Sinn derſelben ſey, oder wir muͤſſen die Vernunft, davon wir jetzt reden dazu gebrauchen. Welches von beyden iſt zu wehlen? Jch hoffe, man wird fuͤr billiger halten, daß man ſich ſeiner na- tuͤrlichen Einſicht bediene, die wahre Of- fenbarung und deren Sinn zu erforſchen, als dieſe Unterſuchung wie etwas Unnuͤtzes oder wohl gar Schaͤdliches zu fliehen. JEſus giebt ſelbſt die Anleitung in der Schrift zu ſuchen oder zu forſchen, Joh. 5. v. 39. Wie kan aber dieſes geſchehen oh- ne Anwendung der natuͤrlichen Einſicht in die Sprache, darinne man die Offenba- rung lieſet und in die Alterthuͤmer, wie auch in diejenigen Dinge, ſo immer in der menſchlichen Geſellſchafft vorkommen? Die Offenbarung ordnet allerdings die Erkenntniß ſolcher Dinge vorher. Se- tzet GOtt in ſeiner beweglichen Verſiche- rung ſeiner gnaͤdigen Vorſehung bey dem Jeſ. 49. v. 15. nicht zum Voraus, daß man ohne Offenbarung die Zaͤrtlichkeit ei- ner muͤtterlichen Liebe kenne? Setzet Chri- ſtus in ſeiner Rede Matth. 16. v. 2. nicht zum Voraus, daß man wiſſe, auf eine helle Abendroͤthe folge ein heiter, und auf eine truͤbe

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/30>, abgerufen am 03.12.2024.