Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.

Bild:
<< vorherige Seite



ist zwar bekannt, daß das Mehl in den
Körnern dem Keimen zur Nahrung ge-
reicht, wenn derselbe aufgehen und die er-
sten Wurtzeln schlagen soll, und also dieses
Mehl den Keimen diene, und daher mit um
des Keimen willen sey; daraus aber fol-
get noch nicht, daß nicht auch der Keime
um des Korns und dessen Mehls willen
seyn könne. Es sind mehr dergleichen
Dinge in der Natur, die einander Wech-
sels-weise dienen. Der Baum zeuget die
Blätter, und die Blätter dienen wiederum,
wie bekannt, dem Baume.

Und daß der Keime in einem Saamen
zum Wachsthum des Kerns unumgäng-
lich nothwendig, scheinet mir dadurch höchst
wahrscheinlich, wo nicht gantz gewiß, zu
werden. Der Keime ist dasjenige, so aus
dem Kern anfänglich seine Nahrung hat,
und aus demselben weiter getrieben wer-
den soll. Wenn man nun aber einem Ge-
wächse diejenigen Keimen nimmt, die es
hervor treiben soll, so höret auch der Wachs-
thum des gantzen Gewächses auf. Eine
Rube treibet anfänglich zwey Blätter und
denn ferner ihr gewöhnliches Kraut aus,
wovon das innerste so genannte Hertz im-

mer



iſt zwar bekannt, daß das Mehl in den
Koͤrnern dem Keimen zur Nahrung ge-
reicht, wenn derſelbe aufgehen und die er-
ſten Wurtzeln ſchlagen ſoll, und alſo dieſes
Mehl den Keimen diene, und daher mit um
des Keimen willen ſey; daraus aber fol-
get noch nicht, daß nicht auch der Keime
um des Korns und deſſen Mehls willen
ſeyn koͤnne. Es ſind mehr dergleichen
Dinge in der Natur, die einander Wech-
ſels-weiſe dienen. Der Baum zeuget die
Blaͤtter, und die Blaͤtter dienen wiederum,
wie bekannt, dem Baume.

Und daß der Keime in einem Saamen
zum Wachsthum des Kerns unumgaͤng-
lich nothwendig, ſcheinet mir dadurch hoͤchſt
wahrſcheinlich, wo nicht gantz gewiß, zu
werden. Der Keime iſt dasjenige, ſo aus
dem Kern anfaͤnglich ſeine Nahrung hat,
und aus demſelben weiter getrieben wer-
den ſoll. Wenn man nun aber einem Ge-
waͤchſe diejenigen Keimen nimmt, die es
hervor treiben ſoll, ſo hoͤret auch der Wachs-
thum des gantzen Gewaͤchſes auf. Eine
Rube treibet anfaͤnglich zwey Blaͤtter und
denn ferner ihr gewoͤhnliches Kraut aus,
wovon das innerſte ſo genannte Hertz im-

mer
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0310" n="292"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
i&#x017F;t zwar bekannt, daß das Mehl in den<lb/>
Ko&#x0364;rnern dem Keimen zur Nahrung ge-<lb/>
reicht, wenn der&#x017F;elbe aufgehen und die er-<lb/>
&#x017F;ten Wurtzeln &#x017F;chlagen &#x017F;oll, und al&#x017F;o die&#x017F;es<lb/>
Mehl den Keimen diene, und daher mit um<lb/>
des Keimen willen &#x017F;ey; daraus aber fol-<lb/>
get noch nicht, daß nicht auch der Keime<lb/>
um des Korns und de&#x017F;&#x017F;en Mehls willen<lb/>
&#x017F;eyn ko&#x0364;nne. Es &#x017F;ind mehr dergleichen<lb/>
Dinge in der Natur, die einander Wech-<lb/>
&#x017F;els-wei&#x017F;e dienen. Der Baum zeuget die<lb/>
Bla&#x0364;tter, und die Bla&#x0364;tter dienen wiederum,<lb/>
wie bekannt, dem Baume.</p><lb/>
          <p>Und daß der Keime in einem Saamen<lb/>
zum Wachsthum des Kerns unumga&#x0364;ng-<lb/>
lich nothwendig, &#x017F;cheinet mir dadurch ho&#x0364;ch&#x017F;t<lb/>
wahr&#x017F;cheinlich, wo nicht gantz gewiß, zu<lb/>
werden. Der Keime i&#x017F;t dasjenige, &#x017F;o aus<lb/>
dem Kern anfa&#x0364;nglich &#x017F;eine Nahrung hat,<lb/>
und aus dem&#x017F;elben weiter getrieben wer-<lb/>
den &#x017F;oll. Wenn man nun aber einem Ge-<lb/>
wa&#x0364;ch&#x017F;e diejenigen Keimen nimmt, die es<lb/>
hervor treiben &#x017F;oll, &#x017F;o ho&#x0364;ret auch der Wachs-<lb/>
thum des gantzen Gewa&#x0364;ch&#x017F;es auf. Eine<lb/>
Rube treibet anfa&#x0364;nglich zwey Bla&#x0364;tter und<lb/>
denn ferner ihr gewo&#x0364;hnliches Kraut aus,<lb/>
wovon das inner&#x017F;te &#x017F;o genannte Hertz im-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mer</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[292/0310] iſt zwar bekannt, daß das Mehl in den Koͤrnern dem Keimen zur Nahrung ge- reicht, wenn derſelbe aufgehen und die er- ſten Wurtzeln ſchlagen ſoll, und alſo dieſes Mehl den Keimen diene, und daher mit um des Keimen willen ſey; daraus aber fol- get noch nicht, daß nicht auch der Keime um des Korns und deſſen Mehls willen ſeyn koͤnne. Es ſind mehr dergleichen Dinge in der Natur, die einander Wech- ſels-weiſe dienen. Der Baum zeuget die Blaͤtter, und die Blaͤtter dienen wiederum, wie bekannt, dem Baume. Und daß der Keime in einem Saamen zum Wachsthum des Kerns unumgaͤng- lich nothwendig, ſcheinet mir dadurch hoͤchſt wahrſcheinlich, wo nicht gantz gewiß, zu werden. Der Keime iſt dasjenige, ſo aus dem Kern anfaͤnglich ſeine Nahrung hat, und aus demſelben weiter getrieben wer- den ſoll. Wenn man nun aber einem Ge- waͤchſe diejenigen Keimen nimmt, die es hervor treiben ſoll, ſo hoͤret auch der Wachs- thum des gantzen Gewaͤchſes auf. Eine Rube treibet anfaͤnglich zwey Blaͤtter und denn ferner ihr gewoͤhnliches Kraut aus, wovon das innerſte ſo genannte Hertz im- mer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/310
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/310>, abgerufen am 25.11.2024.