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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.

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Werck der Erlösung. Johannes schreibt
mit Recht davon: Daran ist erschienen1: Joh. 4,
9.

die Liebe GOttes gegen uns, daß er sei-
nen eingebohrnen Sohn gesandt hat in
die Welt, daß wir durch ihn leben sollen.

Die zärtlichen Neigungen GOttes gegen
uns spiegeln sich darinne dergestalt, daß der-
jenige nothwendig muß gerühret werden,
der sie recht betrachtet. Jch werde so offt
entzückt und ausser mich gesetzt, so offt ich
mir dieses Werck recht lebhaft vorstelle.
Jch befinde mich von Natur in einem sol-
chen Verfall, und folge so schädlichen Be-
gierden, daß das gemeine Beste den weise-
sten und heiligsten Beherrscher dringet,
mich zu verlassen, seiner Liebe Grentzen zu
setzen, und mich den unseligen Folgen zu un-
terwerfen, welche mit einer unordentlichen
Gemüths-Verfassung, mit einer nieder-
trächtigen Verachtung der höchsten Ma-
jestät und deren Gesetze verknüpft sind.
Und so war ich ewig verlohren. Es be-
wegte dieses die Barmhertzigkeit meines
GOttes, und damit sich seine Gnade, oh-
ne Verletzung des gemeinen Besten, wieder
gegen mich offenbahren könnte, so ließ er
JEsum für mich sterben, damit die Gesetze

ihre
A a 4



Werck der Erloͤſung. Johannes ſchreibt
mit Recht davon: Daran iſt erſchienen1: Joh. 4,
9.

die Liebe GOttes gegen uns, daß er ſei-
nen eingebohrnen Sohn geſandt hat in
die Welt, daß wiꝛ durch ihn leben ſollen.

Die zaͤrtlichen Neigungen GOttes gegen
uns ſpiegeln ſich darinne dergeſtalt, daß der-
jenige nothwendig muß geruͤhret werden,
der ſie recht betrachtet. Jch werde ſo offt
entzuͤckt und auſſer mich geſetzt, ſo offt ich
mir dieſes Werck recht lebhaft vorſtelle.
Jch befinde mich von Natur in einem ſol-
chen Verfall, und folge ſo ſchaͤdlichen Be-
gierden, daß das gemeine Beſte den weiſe-
ſten und heiligſten Beherrſcher dringet,
mich zu verlaſſen, ſeiner Liebe Grentzen zu
ſetzen, und mich den unſeligen Folgen zu un-
terwerfen, welche mit einer unordentlichen
Gemuͤths-Verfaſſung, mit einer nieder-
traͤchtigen Verachtung der hoͤchſten Ma-
jeſtaͤt und deren Geſetze verknuͤpft ſind.
Und ſo war ich ewig verlohren. Es be-
wegte dieſes die Barmhertzigkeit meines
GOttes, und damit ſich ſeine Gnade, oh-
ne Verletzung des gemeinen Beſten, wieder
gegen mich offenbahren koͤnnte, ſo ließ er
JEſum fuͤr mich ſterben, damit die Geſetze

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[375/0393] Werck der Erloͤſung. Johannes ſchreibt mit Recht davon: Daran iſt erſchienen die Liebe GOttes gegen uns, daß er ſei- nen eingebohrnen Sohn geſandt hat in die Welt, daß wiꝛ durch ihn leben ſollen. Die zaͤrtlichen Neigungen GOttes gegen uns ſpiegeln ſich darinne dergeſtalt, daß der- jenige nothwendig muß geruͤhret werden, der ſie recht betrachtet. Jch werde ſo offt entzuͤckt und auſſer mich geſetzt, ſo offt ich mir dieſes Werck recht lebhaft vorſtelle. Jch befinde mich von Natur in einem ſol- chen Verfall, und folge ſo ſchaͤdlichen Be- gierden, daß das gemeine Beſte den weiſe- ſten und heiligſten Beherrſcher dringet, mich zu verlaſſen, ſeiner Liebe Grentzen zu ſetzen, und mich den unſeligen Folgen zu un- terwerfen, welche mit einer unordentlichen Gemuͤths-Verfaſſung, mit einer nieder- traͤchtigen Verachtung der hoͤchſten Ma- jeſtaͤt und deren Geſetze verknuͤpft ſind. Und ſo war ich ewig verlohren. Es be- wegte dieſes die Barmhertzigkeit meines GOttes, und damit ſich ſeine Gnade, oh- ne Verletzung des gemeinen Beſten, wieder gegen mich offenbahren koͤnnte, ſo ließ er JEſum fuͤr mich ſterben, damit die Geſetze ihre A a 4

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/393>, abgerufen am 24.11.2024.