Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.tige Begierden in dem Willen, von wel- chen wir je und je übereilet werden. Nie- mand sagt mit einer grössern Uberzeugung Röm. 7, 18.als ein Gläubiger: Jch weiß, daß in mir, daß ist in meinem Fleische, woh- net nichts Gutes. Wollen habe ich wohl; aber Vollbringen des Guten finde ich nicht. Niemand siehet auch die Grösse dieser Unvollkommenheit besser ein, als ein Gläubiger, der auf seine innere Bewegungen und auf sein Thun recht Ach- tung giebet. Er siehet die unendliche Lie- be GOttes gegen die Menschen. Er er- kennet die Billigkeit einer recht feurigen Gegen-Liebe. Er fühlet aber, wie sehr un- vollkommen selbige öfters bey ihm ist, und wie sein Hertz öfters von einer nichts-wür- digen Sache mehr gerühret wird, als von dem höchsten Gute. Er mercket, was für eine Schande es ist, daß ein vernünftiger Geist, GOtt, die ewige Liebe, nicht so zärt- lich lieben kan, als billig geschehen sollte, und daß sich diese Liebe nicht allemahl in ihrer gehörigen Stärcke reget. Er wird hierüber sehr empfindlich. Die grosse Ein- bildung von sich selber fällt, der natürliche Stoltz sincket nieder. Er weiß nichts mehr zu
tige Begierden in dem Willen, von wel- chen wir je und je uͤbereilet werden. Nie- mand ſagt mit einer groͤſſern Uberzeugung Roͤm. 7, 18.als ein Glaͤubiger: Jch weiß, daß in mir, daß iſt in meinem Fleiſche, woh- net nichts Gutes. Wollen habe ich wohl; aber Vollbringen des Guten finde ich nicht. Niemand ſiehet auch die Groͤſſe dieſer Unvollkommenheit beſſer ein, als ein Glaͤubiger, der auf ſeine innere Bewegungen und auf ſein Thun recht Ach- tung giebet. Er ſiehet die unendliche Lie- be GOttes gegen die Menſchen. Er er- kennet die Billigkeit einer recht feurigen Gegen-Liebe. Er fuͤhlet aber, wie ſehr un- vollkommen ſelbige oͤfters bey ihm iſt, und wie ſein Hertz oͤfters von einer nichts-wuͤr- digen Sache mehr geruͤhret wird, als von dem hoͤchſten Gute. Er mercket, was fuͤr eine Schande es iſt, daß ein vernuͤnftiger Geiſt, GOtt, die ewige Liebe, nicht ſo zaͤrt- lich lieben kan, als billig geſchehen ſollte, und daß ſich dieſe Liebe nicht allemahl in ihrer gehoͤrigen Staͤrcke reget. Er wird hieruͤber ſehr empfindlich. Die groſſe Ein- bildung von ſich ſelber faͤllt, der natuͤrliche Stoltz ſincket nieder. Er weiß nichts mehr zu
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tige Begierden in dem Willen, von wel-
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mand ſagt mit einer groͤſſern Uberzeugung
als ein Glaͤubiger: Jch weiß, daß in
mir, daß iſt in meinem Fleiſche, woh-
net nichts Gutes. Wollen habe ich
wohl; aber Vollbringen des Guten
finde ich nicht. Niemand ſiehet auch
die Groͤſſe dieſer Unvollkommenheit beſſer
ein, als ein Glaͤubiger, der auf ſeine innere
Bewegungen und auf ſein Thun recht Ach-
tung giebet. Er ſiehet die unendliche Lie-
be GOttes gegen die Menſchen. Er er-
kennet die Billigkeit einer recht feurigen
Gegen-Liebe. Er fuͤhlet aber, wie ſehr un-
vollkommen ſelbige oͤfters bey ihm iſt, und
wie ſein Hertz oͤfters von einer nichts-wuͤr-
digen Sache mehr geruͤhret wird, als von
dem hoͤchſten Gute. Er mercket, was fuͤr
eine Schande es iſt, daß ein vernuͤnftiger
Geiſt, GOtt, die ewige Liebe, nicht ſo zaͤrt-
lich lieben kan, als billig geſchehen ſollte,
und daß ſich dieſe Liebe nicht allemahl in
ihrer gehoͤrigen Staͤrcke reget. Er wird
hieruͤber ſehr empfindlich. Die groſſe Ein-
bildung von ſich ſelber faͤllt, der natuͤrliche
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