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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.

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kommenheit. Wenn andere mit einer ehr-
erbietigen und demüthigen Mine sprechen:
Vergieb uns unsere Schuld, so legen sie
die eine Hand auf den Rücken, die andere
in die Weste, und die Augen schweifen
umher, damit sie ja auch allen Verdacht
meiden mögen, als hätten sie einige Ehr-
erbietung für das höchste Wesen und hät-
ten nöthig, ihre Unvollkommenheit zu er-
kennen, und sich vor GOtt zu demüthigen.
Christus ist ihnen wenig oder gar nichts
nütze. Man überlege mit einer unpar-
theyischen und gelassenen Vernunft, ob
diese Gestalt solcher hohen Geister dem
Weisesten gefallen könne? Kan der Wei-
seste solche Personen für verständig, und ih-
re gantze Gemüths-Verfassung für schön
achten? Welches ist denn wohl die grösse-
ste Thorheit? Gewiß diese, wenn sich der
Thore für weise hält. Und was verun-
zieret wohl einen Geist am mehresten? Ge-
wiß dieses, wenn er sich bey einer grossen
Unvollkommenheit für vollkommen schätzet,
und bey einer grossen Heßlichkeit über sei-
ne vermeynte Schönheit aufgeblasen ist.
Nichts kan die Augen eines Weisen mehr
beleidigen, als ein solcher Mensch. Wer

noch



kommenheit. Wenn andere mit einer ehr-
erbietigen und demuͤthigen Mine ſprechen:
Vergieb uns unſere Schuld, ſo legen ſie
die eine Hand auf den Ruͤcken, die andere
in die Weſte, und die Augen ſchweifen
umher, damit ſie ja auch allen Verdacht
meiden moͤgen, als haͤtten ſie einige Ehr-
erbietung fuͤr das hoͤchſte Weſen und haͤt-
ten noͤthig, ihre Unvollkommenheit zu er-
kennen, und ſich vor GOtt zu demuͤthigen.
Chriſtus iſt ihnen wenig oder gar nichts
nuͤtze. Man uͤberlege mit einer unpar-
theyiſchen und gelaſſenen Vernunft, ob
dieſe Geſtalt ſolcher hohen Geiſter dem
Weiſeſten gefallen koͤnne? Kan der Wei-
ſeſte ſolche Perſonen fuͤr verſtaͤndig, und ih-
re gantze Gemuͤths-Verfaſſung fuͤr ſchoͤn
achten? Welches iſt denn wohl die groͤſſe-
ſte Thorheit? Gewiß dieſe, wenn ſich der
Thore fuͤr weiſe haͤlt. Und was verun-
zieret wohl einen Geiſt am mehreſten? Ge-
wiß dieſes, wenn er ſich bey einer groſſen
Unvollkommenheit fuͤr vollkommen ſchaͤtzet,
und bey einer groſſen Heßlichkeit uͤber ſei-
ne vermeynte Schoͤnheit aufgeblaſen iſt.
Nichts kan die Augen eines Weiſen mehr
beleidigen, als ein ſolcher Menſch. Wer

noch
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[400/0418] kommenheit. Wenn andere mit einer ehr- erbietigen und demuͤthigen Mine ſprechen: Vergieb uns unſere Schuld, ſo legen ſie die eine Hand auf den Ruͤcken, die andere in die Weſte, und die Augen ſchweifen umher, damit ſie ja auch allen Verdacht meiden moͤgen, als haͤtten ſie einige Ehr- erbietung fuͤr das hoͤchſte Weſen und haͤt- ten noͤthig, ihre Unvollkommenheit zu er- kennen, und ſich vor GOtt zu demuͤthigen. Chriſtus iſt ihnen wenig oder gar nichts nuͤtze. Man uͤberlege mit einer unpar- theyiſchen und gelaſſenen Vernunft, ob dieſe Geſtalt ſolcher hohen Geiſter dem Weiſeſten gefallen koͤnne? Kan der Wei- ſeſte ſolche Perſonen fuͤr verſtaͤndig, und ih- re gantze Gemuͤths-Verfaſſung fuͤr ſchoͤn achten? Welches iſt denn wohl die groͤſſe- ſte Thorheit? Gewiß dieſe, wenn ſich der Thore fuͤr weiſe haͤlt. Und was verun- zieret wohl einen Geiſt am mehreſten? Ge- wiß dieſes, wenn er ſich bey einer groſſen Unvollkommenheit fuͤr vollkommen ſchaͤtzet, und bey einer groſſen Heßlichkeit uͤber ſei- ne vermeynte Schoͤnheit aufgeblaſen iſt. Nichts kan die Augen eines Weiſen mehr beleidigen, als ein ſolcher Menſch. Wer noch

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/418>, abgerufen am 23.11.2024.