Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.genommen wird, brauchen will, muß erst ausmachen, wer unter so vielen Philoso- phen, von so viel tausend Jahren her, von welchen kein einiger mit dem andern völlig überein gestimmet, die wahre Vernunft und nichts als wahre Sätze derselben besitze. Denn da keiner mit dem andern völlig ei- nig ist, so muß entweder nur ein einiger seyn, der in allen seinen Meynungen die wahre Vernunft hat, oder es muß kein ei- niger unter ihnen eine in allen Stücken wahre Vernunft besitzen. Jst dieses letz- tere, so muß, ehe jemand obige Regel brau- chen kan, ausgemacht werden, welche Sä- tze bey einem jeden mit völliger Gewißheit als Wahrheiten einer reinen Vernunft können angesehen werden. Denn es wird in diesem Falle als gantz gewiß angenom- men, daß ein jeder Mensch Jrrthümer ha- be. Wie viel sind aber derjenigen Wahr- heiten, von deren völligen Gewißheit jemand recht versichert seyn kan? Aus dem, was oben §. IX. u. f. gesaget worden, kan ein jeder leicht abnehmen, daß derselben gewiß sehr wenig sind. Es wird dannenhero obige Grund-Regel noch sehr müssen ein- geschränckt werden, ehe sie brauchbar wird. Wollte
genommen wird, brauchen will, muß erſt ausmachen, wer unter ſo vielen Philoſo- phen, von ſo viel tauſend Jahren her, von welchen kein einiger mit dem andern voͤllig uͤberein geſtimmet, die wahre Vernunft und nichts als wahre Saͤtze derſelben beſitze. Denn da keiner mit dem andern voͤllig ei- nig iſt, ſo muß entweder nur ein einiger ſeyn, der in allen ſeinen Meynungen die wahre Vernunft hat, oder es muß kein ei- niger unter ihnen eine in allen Stuͤcken wahre Vernunft beſitzen. Jſt dieſes letz- tere, ſo muß, ehe jemand obige Regel brau- chen kan, ausgemacht werden, welche Saͤ- tze bey einem jeden mit voͤlliger Gewißheit als Wahrheiten einer reinen Vernunft koͤnnen angeſehen werden. Denn es wird in dieſem Falle als gantz gewiß angenom- men, daß ein jeder Menſch Jrrthuͤmer ha- be. Wie viel ſind aber derjenigen Wahr- heiten, von deren voͤlligen Gewißheit jemand recht verſichert ſeyn kan? Aus dem, was oben §. IX. u. f. geſaget worden, kan ein jeder leicht abnehmen, daß derſelben gewiß ſehr wenig ſind. Es wird dannenhero obige Grund-Regel noch ſehr muͤſſen ein- geſchraͤnckt werden, ehe ſie brauchbar wird. Wollte
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genommen wird, brauchen will, muß erſt
ausmachen, wer unter ſo vielen Philoſo-
phen, von ſo viel tauſend Jahren her, von
welchen kein einiger mit dem andern voͤllig
uͤberein geſtimmet, die wahre Vernunft
und nichts als wahre Saͤtze derſelben beſitze.
Denn da keiner mit dem andern voͤllig ei-
nig iſt, ſo muß entweder nur ein einiger
ſeyn, der in allen ſeinen Meynungen die
wahre Vernunft hat, oder es muß kein ei-
niger unter ihnen eine in allen Stuͤcken
wahre Vernunft beſitzen. Jſt dieſes letz-
tere, ſo muß, ehe jemand obige Regel brau-
chen kan, ausgemacht werden, welche Saͤ-
tze bey einem jeden mit voͤlliger Gewißheit
als Wahrheiten einer reinen Vernunft
koͤnnen angeſehen werden. Denn es wird
in dieſem Falle als gantz gewiß angenom-
men, daß ein jeder Menſch Jrrthuͤmer ha-
be. Wie viel ſind aber derjenigen Wahr-
heiten, von deren voͤlligen Gewißheit jemand
recht verſichert ſeyn kan? Aus dem, was
oben §. IX. u. f. geſaget worden, kan ein
jeder leicht abnehmen, daß derſelben gewiß
ſehr wenig ſind. Es wird dannenhero
obige Grund-Regel noch ſehr muͤſſen ein-
geſchraͤnckt werden, ehe ſie brauchbar wird.
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