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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.

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ten wir nicht ein gleiches muthmassen müs-
sen, bey den Widersprüchen, so aus man-
chem klaren Ausspruche der Schrift her-
geleitet worden? Jch meines Theils halte
nichts mit völliger Gewißheit für einen
wahren Widerspruch, es sey denn, daß der-
selbe sich auf eine gantz deutliche Art ohne
viele und künstliche Folgen zeige. Mischen
sich vielerley Begriffe und Erklärungen
und Sätze, die weit müssen hergeholet wer-
den, in den Beweiß des Widerspruches,
so traue ich seiner Richtigkeit nicht viel zu,
und setze ihn gewiß klaren Aussprüchen be-
glaubter Zeugen nicht entgegen. Wie
vielmal man bey solchen Widersprüchen
betrogen werde, kan man bloß in dem ge-
meinen Leben abnehmen; oft glaubt man
dieses und jenes könne unmöglich geschehen
seyn, und es ist doch geschehen. Aus al-
len diesen erhellet, wie ich meyne, hinläng-
lich, daß der Gebrauch der obigen Grund-
Regel, welcher sich heutiges Tages so sehr
weit erstrecket, bey einem Weisen, der sich
und die menschlichen Wissenschaften ken-
net, gar enge Schrancken habe. Es ist
noch eine Ursach vorhanden, die mich sehr
furchtsam macht, von klaren Aussprüchen

der



ten wir nicht ein gleiches muthmaſſen muͤſ-
ſen, bey den Widerſpruͤchen, ſo aus man-
chem klaren Ausſpruche der Schrift her-
geleitet worden? Jch meines Theils halte
nichts mit voͤlliger Gewißheit fuͤr einen
wahren Widerſpruch, es ſey denn, daß der-
ſelbe ſich auf eine gantz deutliche Art ohne
viele und kuͤnſtliche Folgen zeige. Miſchen
ſich vielerley Begriffe und Erklaͤrungen
und Saͤtze, die weit muͤſſen hergeholet wer-
den, in den Beweiß des Widerſpruches,
ſo traue ich ſeiner Richtigkeit nicht viel zu,
und ſetze ihn gewiß klaren Ausſpruͤchen be-
glaubter Zeugen nicht entgegen. Wie
vielmal man bey ſolchen Widerſpruͤchen
betrogen werde, kan man bloß in dem ge-
meinen Leben abnehmen; oft glaubt man
dieſes und jenes koͤnne unmoͤglich geſchehen
ſeyn, und es iſt doch geſchehen. Aus al-
len dieſen erhellet, wie ich meyne, hinlaͤng-
lich, daß der Gebrauch der obigen Grund-
Regel, welcher ſich heutiges Tages ſo ſehr
weit erſtrecket, bey einem Weiſen, der ſich
und die menſchlichen Wiſſenſchaften ken-
net, gar enge Schrancken habe. Es iſt
noch eine Urſach vorhanden, die mich ſehr
furchtſam macht, von klaren Ausſpruͤchen

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[44/0062] ten wir nicht ein gleiches muthmaſſen muͤſ- ſen, bey den Widerſpruͤchen, ſo aus man- chem klaren Ausſpruche der Schrift her- geleitet worden? Jch meines Theils halte nichts mit voͤlliger Gewißheit fuͤr einen wahren Widerſpruch, es ſey denn, daß der- ſelbe ſich auf eine gantz deutliche Art ohne viele und kuͤnſtliche Folgen zeige. Miſchen ſich vielerley Begriffe und Erklaͤrungen und Saͤtze, die weit muͤſſen hergeholet wer- den, in den Beweiß des Widerſpruches, ſo traue ich ſeiner Richtigkeit nicht viel zu, und ſetze ihn gewiß klaren Ausſpruͤchen be- glaubter Zeugen nicht entgegen. Wie vielmal man bey ſolchen Widerſpruͤchen betrogen werde, kan man bloß in dem ge- meinen Leben abnehmen; oft glaubt man dieſes und jenes koͤnne unmoͤglich geſchehen ſeyn, und es iſt doch geſchehen. Aus al- len dieſen erhellet, wie ich meyne, hinlaͤng- lich, daß der Gebrauch der obigen Grund- Regel, welcher ſich heutiges Tages ſo ſehr weit erſtrecket, bey einem Weiſen, der ſich und die menſchlichen Wiſſenſchaften ken- net, gar enge Schrancken habe. Es iſt noch eine Urſach vorhanden, die mich ſehr furchtſam macht, von klaren Ausſpruͤchen der

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/62>, abgerufen am 09.11.2024.