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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.

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ne. Diese Vernunft aber, damit ich
auch hierinne offenhertzig sey, ist in den
mehresten Stücken diejenige, welche in
diesem Jahrhundert vor andern Mode ist.
Hätte ich vor hundert Jahren gelebt, so wür-
de sie anders ausgesehen haben, und leb-
te ich nach hundert Jahren, so würde
sie wieder anders gestaltet seyn. Mein
Urtheil von diesen meinen eigenen Be-
trachtungen ist derowegen dieses, die ge-
offenbarten Wahrheiten, so darinnen
sind, werden in alle Ewigkeit bleiben.
Wie viel Sätze meiner Vernunft aber
zu der Kette der ewigen Wahrheiten ge-
hören, weiß ich selber nicht, und lasse
solches dahin gestellet seyn, bis ich in die
Gesellschafft derjenigen Weisen gelange,
deren Wissen kein Stückwerck mehr ist.
So lange gedulde dich auch, mein Leser,
und bleib indessen den redlichen Absichten
des Verfassers gewogen.

Zum Beschluß muß nur noch erinnern,
daß alle diese Betrachtungen von mir auf-

gesetzet,
D 3



ne. Dieſe Vernunft aber, damit ich
auch hierinne offenhertzig ſey, iſt in den
mehreſten Stuͤcken diejenige, welche in
dieſem Jahrhundert vor andern Mode iſt.
Haͤtte ich vor hundert Jahren gelebt, ſo wuͤr-
de ſie anders ausgeſehen haben, und leb-
te ich nach hundert Jahren, ſo wuͤrde
ſie wieder anders geſtaltet ſeyn. Mein
Urtheil von dieſen meinen eigenen Be-
trachtungen iſt derowegen dieſes, die ge-
offenbarten Wahrheiten, ſo darinnen
ſind, werden in alle Ewigkeit bleiben.
Wie viel Saͤtze meiner Vernunft aber
zu der Kette der ewigen Wahrheiten ge-
hoͤren, weiß ich ſelber nicht, und laſſe
ſolches dahin geſtellet ſeyn, bis ich in die
Geſellſchafft derjenigen Weiſen gelange,
deren Wiſſen kein Stuͤckwerck mehr iſt.
So lange gedulde dich auch, mein Leſer,
und bleib indeſſen den redlichen Abſichten
des Verfaſſers gewogen.

Zum Beſchluß muß nur noch erinnern,
daß alle dieſe Betrachtungen von mir auf-

geſetzet,
D 3
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[53/0071] ne. Dieſe Vernunft aber, damit ich auch hierinne offenhertzig ſey, iſt in den mehreſten Stuͤcken diejenige, welche in dieſem Jahrhundert vor andern Mode iſt. Haͤtte ich vor hundert Jahren gelebt, ſo wuͤr- de ſie anders ausgeſehen haben, und leb- te ich nach hundert Jahren, ſo wuͤrde ſie wieder anders geſtaltet ſeyn. Mein Urtheil von dieſen meinen eigenen Be- trachtungen iſt derowegen dieſes, die ge- offenbarten Wahrheiten, ſo darinnen ſind, werden in alle Ewigkeit bleiben. Wie viel Saͤtze meiner Vernunft aber zu der Kette der ewigen Wahrheiten ge- hoͤren, weiß ich ſelber nicht, und laſſe ſolches dahin geſtellet ſeyn, bis ich in die Geſellſchafft derjenigen Weiſen gelange, deren Wiſſen kein Stuͤckwerck mehr iſt. So lange gedulde dich auch, mein Leſer, und bleib indeſſen den redlichen Abſichten des Verfaſſers gewogen. Zum Beſchluß muß nur noch erinnern, daß alle dieſe Betrachtungen von mir auf- geſetzet, D 3

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/71>, abgerufen am 18.05.2024.