Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.

Bild:
<< vorherige Seite



als die Worte eines Livius oder
Cicero. Einer gantz vollkommenen
Unpartheylichkeit rühme ich mich zwar
nicht. Denn ich erinnere mich immer
dessen, was ich von den beyden berühm-
ten und ungemein ehrlichen Lehrern der
Jenischen hohen Schule, dem nunmehr
seligen Stollen und dem noch blühen-
den Herrn Reusch, an welche ich nie
ohne eine kindliche und recht zärtliche Ehr-
erbietung gedencke, gehöret habe, daß
nemlich sich niemand leicht einbilden
solle, er sey bey einer Sache voll-
kommen unpartheyisch.
Jndem ich
aber dieses weiß, so bemühe ich mich
doch, mich in eine solche Unpartheylich-
keit zu setzen, als nur immer bey mei-
nem eingeschränckten Verstande möglich
ist. Und wenn ich denn auf solche
Weise, wenigstens meiner Meynung
nach, den wahren Sinn der Schrift ge-
funden habe, so versuche ich, ob ich den-
selben mit der Vernunft verbinden kön-

ne.



als die Worte eines Livius oder
Cicero. Einer gantz vollkommenen
Unpartheylichkeit ruͤhme ich mich zwar
nicht. Denn ich erinnere mich immer
deſſen, was ich von den beyden beruͤhm-
ten und ungemein ehrlichen Lehrern der
Jeniſchen hohen Schule, dem nunmehr
ſeligen Stollen und dem noch bluͤhen-
den Herrn Reuſch, an welche ich nie
ohne eine kindliche und recht zaͤrtliche Ehr-
erbietung gedencke, gehoͤret habe, daß
nemlich ſich niemand leicht einbilden
ſolle, er ſey bey einer Sache voll-
kommen unpartheyiſch.
Jndem ich
aber dieſes weiß, ſo bemuͤhe ich mich
doch, mich in eine ſolche Unpartheylich-
keit zu ſetzen, als nur immer bey mei-
nem eingeſchraͤnckten Verſtande moͤglich
iſt. Und wenn ich denn auf ſolche
Weiſe, wenigſtens meiner Meynung
nach, den wahren Sinn der Schrift ge-
funden habe, ſo verſuche ich, ob ich den-
ſelben mit der Vernunft verbinden koͤn-

ne.
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0070" n="52"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
als die Worte eines <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Livius</hi></hi> oder<lb/><hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Cicero.</hi></hi> Einer gantz vollkommenen<lb/>
Unpartheylichkeit ru&#x0364;hme ich mich zwar<lb/>
nicht. Denn ich erinnere mich immer<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en, was ich von den beyden beru&#x0364;hm-<lb/>
ten und ungemein ehrlichen Lehrern der<lb/>
Jeni&#x017F;chen hohen Schule, dem nunmehr<lb/>
&#x017F;eligen <hi rendition="#fr">Stollen</hi> und dem noch blu&#x0364;hen-<lb/>
den Herrn <hi rendition="#fr">Reu&#x017F;ch,</hi> an welche ich nie<lb/>
ohne eine kindliche und recht za&#x0364;rtliche Ehr-<lb/>
erbietung gedencke, geho&#x0364;ret habe, <hi rendition="#fr">daß</hi><lb/>
nemlich <hi rendition="#fr">&#x017F;ich niemand leicht einbilden<lb/>
&#x017F;olle, er &#x017F;ey bey einer Sache voll-<lb/>
kommen unpartheyi&#x017F;ch.</hi> Jndem ich<lb/>
aber die&#x017F;es weiß, &#x017F;o bemu&#x0364;he ich mich<lb/>
doch, mich in eine &#x017F;olche Unpartheylich-<lb/>
keit zu &#x017F;etzen, als nur immer bey mei-<lb/>
nem einge&#x017F;chra&#x0364;nckten Ver&#x017F;tande mo&#x0364;glich<lb/>
i&#x017F;t. Und wenn ich denn auf &#x017F;olche<lb/>
Wei&#x017F;e, wenig&#x017F;tens meiner Meynung<lb/>
nach, den wahren Sinn der Schrift ge-<lb/>
funden habe, &#x017F;o ver&#x017F;uche ich, ob ich den-<lb/>
&#x017F;elben mit der Vernunft verbinden ko&#x0364;n-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ne.</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[52/0070] als die Worte eines Livius oder Cicero. Einer gantz vollkommenen Unpartheylichkeit ruͤhme ich mich zwar nicht. Denn ich erinnere mich immer deſſen, was ich von den beyden beruͤhm- ten und ungemein ehrlichen Lehrern der Jeniſchen hohen Schule, dem nunmehr ſeligen Stollen und dem noch bluͤhen- den Herrn Reuſch, an welche ich nie ohne eine kindliche und recht zaͤrtliche Ehr- erbietung gedencke, gehoͤret habe, daß nemlich ſich niemand leicht einbilden ſolle, er ſey bey einer Sache voll- kommen unpartheyiſch. Jndem ich aber dieſes weiß, ſo bemuͤhe ich mich doch, mich in eine ſolche Unpartheylich- keit zu ſetzen, als nur immer bey mei- nem eingeſchraͤnckten Verſtande moͤglich iſt. Und wenn ich denn auf ſolche Weiſe, wenigſtens meiner Meynung nach, den wahren Sinn der Schrift ge- funden habe, ſo verſuche ich, ob ich den- ſelben mit der Vernunft verbinden koͤn- ne.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/70
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/70>, abgerufen am 21.11.2024.