ten Religionsversolgungen wären erst durch das Christenthum in die Welt ge- kommen, und in selbigen hätten die Chri- sten alle unmenschliche Martern wider einander ausgeübet, welches die Heiden nicht gethan, als die niemand zu ihrer Religion gezwungen. Es ist aber erst- lich falsch, daß die Bekenner der geoffen- barten Religion, die Religionsverfolgun- gen in die Welt gebracht. Die Juden zwangen ehmals niemanden zu ihrer Re- ligion; sie aber haben mehr denn einmal, besonders aber von Antiochus dem Edlen die grausamste Religionsverfolgung erdul- det. Die Römer und andere Heiden haben unter sich zwar keine Religionsver- folgungen angestellet. Denn man glau- bete viele Götter, und daß ein jedes Volk besondere Götter hätte, die dasselbe vor- züglich in ihren Schutz genommen. Nie- mand machte also dem andern seine Gott- heit streitig. Sobald aber die Christen sagten, der Götzendienst ist eitel und Thor- heit, und es ist nur Ein Gott, so fiengen ja die Heiden die grausamsten Verfolgun- gen an. Dergleichen haben ihren Grund in dem menschlichen Hochmuth, welcher keinen Widerspruch vertragen kann, und niemals will geirret haben, wie auch in irdischen Vortheilen, die mit einer ein- mal eingeführten Religion verbunden sind. Wenn derowegen auch viele Christen sich
von
ten Religionsverſolgungen waͤren erſt durch das Chriſtenthum in die Welt ge- kommen, und in ſelbigen haͤtten die Chri- ſten alle unmenſchliche Martern wider einander ausgeuͤbet, welches die Heiden nicht gethan, als die niemand zu ihrer Religion gezwungen. Es iſt aber erſt- lich falſch, daß die Bekenner der geoffen- barten Religion, die Religionsverfolgun- gen in die Welt gebracht. Die Juden zwangen ehmals niemanden zu ihrer Re- ligion; ſie aber haben mehr denn einmal, beſonders aber von Antiochus dem Edlen die grauſamſte Religionsverfolgung erdul- det. Die Roͤmer und andere Heiden haben unter ſich zwar keine Religionsver- folgungen angeſtellet. Denn man glau- bete viele Goͤtter, und daß ein jedes Volk beſondere Goͤtter haͤtte, die daſſelbe vor- zuͤglich in ihren Schutz genommen. Nie- mand machte alſo dem andern ſeine Gott- heit ſtreitig. Sobald aber die Chriſten ſagten, der Goͤtzendienſt iſt eitel und Thor- heit, und es iſt nur Ein Gott, ſo fiengen ja die Heiden die grauſamſten Verfolgun- gen an. Dergleichen haben ihren Grund in dem menſchlichen Hochmuth, welcher keinen Widerſpruch vertragen kann, und niemals will geirret haben, wie auch in irdiſchen Vortheilen, die mit einer ein- mal eingefuͤhrten Religion verbunden ſind. Wenn derowegen auch viele Chriſten ſich
von
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0128"n="108"/>
ten Religionsverſolgungen waͤren erſt<lb/>
durch das Chriſtenthum in die Welt ge-<lb/>
kommen, und in ſelbigen haͤtten die Chri-<lb/>ſten alle unmenſchliche Martern wider<lb/>
einander ausgeuͤbet, welches die Heiden<lb/>
nicht gethan, als die niemand zu ihrer<lb/>
Religion gezwungen. Es iſt aber erſt-<lb/>
lich falſch, daß die Bekenner der geoffen-<lb/>
barten Religion, die Religionsverfolgun-<lb/>
gen in die Welt gebracht. Die Juden<lb/>
zwangen ehmals niemanden zu ihrer Re-<lb/>
ligion; ſie aber haben mehr denn einmal,<lb/>
beſonders aber von Antiochus dem Edlen<lb/>
die grauſamſte Religionsverfolgung erdul-<lb/>
det. Die Roͤmer und andere Heiden<lb/>
haben unter ſich zwar keine Religionsver-<lb/>
folgungen angeſtellet. Denn man glau-<lb/>
bete viele Goͤtter, und daß ein jedes Volk<lb/>
beſondere Goͤtter haͤtte, die daſſelbe vor-<lb/>
zuͤglich in ihren Schutz genommen. Nie-<lb/>
mand machte alſo dem andern ſeine Gott-<lb/>
heit ſtreitig. Sobald aber die Chriſten<lb/>ſagten, der Goͤtzendienſt iſt eitel und Thor-<lb/>
heit, und es iſt nur Ein Gott, ſo fiengen<lb/>
ja die Heiden die grauſamſten Verfolgun-<lb/>
gen an. Dergleichen haben ihren Grund<lb/>
in dem menſchlichen Hochmuth, welcher<lb/>
keinen Widerſpruch vertragen kann, und<lb/>
niemals will geirret haben, wie auch in<lb/>
irdiſchen Vortheilen, die mit einer ein-<lb/>
mal eingefuͤhrten Religion verbunden ſind.<lb/>
Wenn derowegen auch viele Chriſten ſich<lb/><fwplace="bottom"type="catch">von</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[108/0128]
ten Religionsverſolgungen waͤren erſt
durch das Chriſtenthum in die Welt ge-
kommen, und in ſelbigen haͤtten die Chri-
ſten alle unmenſchliche Martern wider
einander ausgeuͤbet, welches die Heiden
nicht gethan, als die niemand zu ihrer
Religion gezwungen. Es iſt aber erſt-
lich falſch, daß die Bekenner der geoffen-
barten Religion, die Religionsverfolgun-
gen in die Welt gebracht. Die Juden
zwangen ehmals niemanden zu ihrer Re-
ligion; ſie aber haben mehr denn einmal,
beſonders aber von Antiochus dem Edlen
die grauſamſte Religionsverfolgung erdul-
det. Die Roͤmer und andere Heiden
haben unter ſich zwar keine Religionsver-
folgungen angeſtellet. Denn man glau-
bete viele Goͤtter, und daß ein jedes Volk
beſondere Goͤtter haͤtte, die daſſelbe vor-
zuͤglich in ihren Schutz genommen. Nie-
mand machte alſo dem andern ſeine Gott-
heit ſtreitig. Sobald aber die Chriſten
ſagten, der Goͤtzendienſt iſt eitel und Thor-
heit, und es iſt nur Ein Gott, ſo fiengen
ja die Heiden die grauſamſten Verfolgun-
gen an. Dergleichen haben ihren Grund
in dem menſchlichen Hochmuth, welcher
keinen Widerſpruch vertragen kann, und
niemals will geirret haben, wie auch in
irdiſchen Vortheilen, die mit einer ein-
mal eingefuͤhrten Religion verbunden ſind.
Wenn derowegen auch viele Chriſten ſich
von
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/128>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.