von dem Verfolgungsgeiste regieren lassen, so sind sie nicht dem Sinne Jesu Christi gefolget, sondern ihrem Stolze, welcher allezeit zu Grausamkeiten geschickt ist. Die Christliche Religion verabscheuet allen Gewissenszwang und es haben sich noch alle- zeit verständige Christen gefunden, welche ei- nem so blinden und grausamen Eifer wi- dersprochen. Es ist dieses auch bisher nicht ohne allen Nutzen gewesen und ich hoffe, das wahre Christenthum wird end- lich auch über dieses Ungeheuer, das die Christliche Religion schändet, siegen. Da also klar, daß die Lehre Jesu dem Gewis- senszwange gerade und ausdrücklich entge- gen ist, und derselbe in der Welt gewesen, ehe die Christen sich damit beflecket, und seinen Grund in einem eigensinnigen Hoch- muthe und irdischen Vortheilen hat, so kann daraus dem Christenthume kein Vor- wurf erwachsen, sondern dem bösen Herzen der Menschen. Es erhellet hieraus weiter nichts, als daß das Christenthum nur erst einige grausame Grundsätze und Gewohn- heiten besieget, mit andern aber noch strei- sten müsse. Jch ziehe hieraus einen Vor- theil für die vorhin geäuserte Meinung. Es haben einige tausend Jahre dazu gehö- ret, ehe die Welt zu dem Anfange des Christenthums vorbereitet worden. Viel- leicht werden einige tausend Jahre erfor- dert, ehe es zu seiner völligen Stärke ge-
langet.
von dem Verfolgungsgeiſte regieren laſſen, ſo ſind ſie nicht dem Sinne Jeſu Chriſti gefolget, ſondern ihrem Stolze, welcher allezeit zu Grauſamkeiten geſchickt iſt. Die Chriſtliche Religion verabſcheuet allen Gewiſſenszwang und es haben ſich noch alle- zeit verſtaͤndige Chriſten gefunden, welche ei- nem ſo blinden und grauſamen Eifer wi- derſprochen. Es iſt dieſes auch bisher nicht ohne allen Nutzen geweſen und ich hoffe, das wahre Chriſtenthum wird end- lich auch uͤber dieſes Ungeheuer, das die Chriſtliche Religion ſchaͤndet, ſiegen. Da alſo klar, daß die Lehre Jeſu dem Gewiſ- ſenszwange gerade und ausdruͤcklich entge- gen iſt, und derſelbe in der Welt geweſen, ehe die Chriſten ſich damit beflecket, und ſeinen Grund in einem eigenſinnigen Hoch- muthe und irdiſchen Vortheilen hat, ſo kann daraus dem Chriſtenthume kein Vor- wurf erwachſen, ſondern dem boͤſen Herzen der Menſchen. Es erhellet hieraus weiter nichts, als daß das Chriſtenthum nur erſt einige grauſame Grundſaͤtze und Gewohn- heiten beſieget, mit andern aber noch ſtrei- ſten muͤſſe. Jch ziehe hieraus einen Vor- theil fuͤr die vorhin geaͤuſerte Meinung. Es haben einige tauſend Jahre dazu gehoͤ- ret, ehe die Welt zu dem Anfange des Chriſtenthums vorbereitet worden. Viel- leicht werden einige tauſend Jahre erfor- dert, ehe es zu ſeiner voͤlligen Staͤrke ge-
langet.
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von dem Verfolgungsgeiſte regieren laſſen,
ſo ſind ſie nicht dem Sinne Jeſu Chriſti
gefolget, ſondern ihrem Stolze, welcher
allezeit zu Grauſamkeiten geſchickt iſt.
Die Chriſtliche Religion verabſcheuet allen
Gewiſſenszwang und es haben ſich noch alle-
zeit verſtaͤndige Chriſten gefunden, welche ei-
nem ſo blinden und grauſamen Eifer wi-
derſprochen. Es iſt dieſes auch bisher
nicht ohne allen Nutzen geweſen und ich
hoffe, das wahre Chriſtenthum wird end-
lich auch uͤber dieſes Ungeheuer, das die
Chriſtliche Religion ſchaͤndet, ſiegen. Da
alſo klar, daß die Lehre Jeſu dem Gewiſ-
ſenszwange gerade und ausdruͤcklich entge-
gen iſt, und derſelbe in der Welt geweſen,
ehe die Chriſten ſich damit beflecket, und
ſeinen Grund in einem eigenſinnigen Hoch-
muthe und irdiſchen Vortheilen hat, ſo
kann daraus dem Chriſtenthume kein Vor-
wurf erwachſen, ſondern dem boͤſen Herzen
der Menſchen. Es erhellet hieraus weiter
nichts, als daß das Chriſtenthum nur erſt
einige grauſame Grundſaͤtze und Gewohn-
heiten beſieget, mit andern aber noch ſtrei-
ſten muͤſſe. Jch ziehe hieraus einen Vor-
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Es haben einige tauſend Jahre dazu gehoͤ-
ret, ehe die Welt zu dem Anfange des
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/129>, abgerufen am 16.02.2025.
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