Last geleget werden möchten, und verbrann- te daher seinen Aufsatz, so daß ich nicht glaube, daß über vier Exemplarien den Flammen entzogen worden. Eben diese Furcht begleitet auch mich, da ich dieses aufsetze. Da mich aber die Geschichte der Gelehrsamkeit unterrichtet, daß, wenn man niemals etwas hätte wagen wollen, wogegen andere etwas zu erinnern finden, wir noch in der äussersten Finsterniß sitzen würden; so habe mich unternommen, eine Erklärung von obigen Stellen gemein zu machen, welche den Worten keine Gewalt anthut, und wobey doch alle Härte der Sache selber wegfällt. Jch bin in diesem Vorsatze durch folgende Ursachen bestärket worden. Jch habe gefunden, daß sie auch ungelehrten und ganz gemeinen Personen begreiflich gemacht, und ihr Gemüth da- durch beruhiget werden kann. Zweytens hasse ich alle gekünstelte Erklärungen der Schrift, und halte dafür, daß uns die Offenbarung dadurch ganz unnütze werde. Denn so bald man gekünstelte Erklärungen für erlaubet hält, so macht man aus den Worten der Schrift, was man will. Ein gewisser Gottesgelehrter vom ersten Range antwortet einem von dem strengen Refor- mirten, der ihm die deutlichen Worte des Paulus vorhält, daß Gott Menschen ver- stocke, und die Lehre von der unbedingten Gnadenwahl daraus ziehet, es könne diese
Lehre
Laſt geleget werden moͤchten, und verbrann- te daher ſeinen Aufſatz, ſo daß ich nicht glaube, daß uͤber vier Exemplarien den Flammen entzogen worden. Eben dieſe Furcht begleitet auch mich, da ich dieſes aufſetze. Da mich aber die Geſchichte der Gelehrſamkeit unterrichtet, daß, wenn man niemals etwas haͤtte wagen wollen, wogegen andere etwas zu erinnern finden, wir noch in der aͤuſſerſten Finſterniß ſitzen wuͤrden; ſo habe mich unternommen, eine Erklaͤrung von obigen Stellen gemein zu machen, welche den Worten keine Gewalt anthut, und wobey doch alle Haͤrte der Sache ſelber wegfaͤllt. Jch bin in dieſem Vorſatze durch folgende Urſachen beſtaͤrket worden. Jch habe gefunden, daß ſie auch ungelehrten und ganz gemeinen Perſonen begreiflich gemacht, und ihr Gemuͤth da- durch beruhiget werden kann. Zweytens haſſe ich alle gekuͤnſtelte Erklaͤrungen der Schrift, und halte dafuͤr, daß uns die Offenbarung dadurch ganz unnuͤtze werde. Denn ſo bald man gekuͤnſtelte Erklaͤrungen fuͤr erlaubet haͤlt, ſo macht man aus den Worten der Schrift, was man will. Ein gewiſſer Gottesgelehrter vom erſten Range antwortet einem von dem ſtrengen Refor- mirten, der ihm die deutlichen Worte des Paulus vorhaͤlt, daß Gott Menſchen ver- ſtocke, und die Lehre von der unbedingten Gnadenwahl daraus ziehet, es koͤnne dieſe
Lehre
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Laſt geleget werden moͤchten, und verbrann-
te daher ſeinen Aufſatz, ſo daß ich nicht
glaube, daß uͤber vier Exemplarien den
Flammen entzogen worden. Eben dieſe
Furcht begleitet auch mich, da ich dieſes
aufſetze. Da mich aber die Geſchichte der
Gelehrſamkeit unterrichtet, daß, wenn
man niemals etwas haͤtte wagen wollen,
wogegen andere etwas zu erinnern finden,
wir noch in der aͤuſſerſten Finſterniß ſitzen
wuͤrden; ſo habe mich unternommen, eine
Erklaͤrung von obigen Stellen gemein zu
machen, welche den Worten keine Gewalt
anthut, und wobey doch alle Haͤrte der
Sache ſelber wegfaͤllt. Jch bin in dieſem
Vorſatze durch folgende Urſachen beſtaͤrket
worden. Jch habe gefunden, daß ſie auch
ungelehrten und ganz gemeinen Perſonen
begreiflich gemacht, und ihr Gemuͤth da-
durch beruhiget werden kann. Zweytens
haſſe ich alle gekuͤnſtelte Erklaͤrungen der
Schrift, und halte dafuͤr, daß uns die
Offenbarung dadurch ganz unnuͤtze werde.
Denn ſo bald man gekuͤnſtelte Erklaͤrungen
fuͤr erlaubet haͤlt, ſo macht man aus den
Worten der Schrift, was man will. Ein
gewiſſer Gottesgelehrter vom erſten Range
antwortet einem von dem ſtrengen Refor-
mirten, der ihm die deutlichen Worte des
Paulus vorhaͤlt, daß Gott Menſchen ver-
ſtocke, und die Lehre von der unbedingten
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/200>, abgerufen am 27.11.2024.
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