Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

Bild:
<< vorherige Seite

zu bewegen, sein Volk fahren zu lassen.
Er wußte nun zwar, daß dieser Zweck nicht
erhalten, und diese Güte vielmehr eine Ur-
sache einer grössern Verhärtung bey dem
Pharao werden würde. Es ist indessen
dadurch dieses offenbar worden, daß Gott
gerne auf die liebreichste Art mit dem Men-
schen verfahre, und es ist dadurch die Eh-
re Gottes von dem Ansehen aller Härte ge-
rettet worden. So bald wir dieses an-
nehmen, fällt alles widersprechende in dem
Betragen Gottes gegen den Pharao hin-
weg. Ferner hatte Pharao und sein Volk
durch ihre Tyranney sich vor Gott strafbar
gemacht, und der Heiligste hatte beschlos-
sen, sie zu einem besondern Exempel seiner
Rache darzustellen. Hier rieth aber die
Weisheit, was sie jenem verständigen
Hausvater an die Hand giebet. Selbiger
hat einen Bedienten, der viele Jahre bey
ihm gewesen, und daher viele Liebe von
seinem Herrn genossen. Diese aber macht
ihn nach und nach hochmüthig und eigen-
sinnig, und er fänget an, nicht nur über
die andern Bedienten mit Ungestüm zu
herrschen, sondern selbst der Frau des
Hauses zu trotzen. Alle Vorstellungen,
alles Bitten und Vermahnungen sind ver-
geblich, sie machen ihn vielmehr ärger.
Der Herr findet sich gezwungen, ihn ab-
zuschaffen. Er will aber nicht gerne das
Ansehen haben, daß er einen alten Bedien-

ten

zu bewegen, ſein Volk fahren zu laſſen.
Er wußte nun zwar, daß dieſer Zweck nicht
erhalten, und dieſe Guͤte vielmehr eine Ur-
ſache einer groͤſſern Verhaͤrtung bey dem
Pharao werden wuͤrde. Es iſt indeſſen
dadurch dieſes offenbar worden, daß Gott
gerne auf die liebreichſte Art mit dem Men-
ſchen verfahre, und es iſt dadurch die Eh-
re Gottes von dem Anſehen aller Haͤrte ge-
rettet worden. So bald wir dieſes an-
nehmen, faͤllt alles widerſprechende in dem
Betragen Gottes gegen den Pharao hin-
weg. Ferner hatte Pharao und ſein Volk
durch ihre Tyranney ſich vor Gott ſtrafbar
gemacht, und der Heiligſte hatte beſchloſ-
ſen, ſie zu einem beſondern Exempel ſeiner
Rache darzuſtellen. Hier rieth aber die
Weisheit, was ſie jenem verſtaͤndigen
Hausvater an die Hand giebet. Selbiger
hat einen Bedienten, der viele Jahre bey
ihm geweſen, und daher viele Liebe von
ſeinem Herrn genoſſen. Dieſe aber macht
ihn nach und nach hochmuͤthig und eigen-
ſinnig, und er faͤnget an, nicht nur uͤber
die andern Bedienten mit Ungeſtuͤm zu
herrſchen, ſondern ſelbſt der Frau des
Hauſes zu trotzen. Alle Vorſtellungen,
alles Bitten und Vermahnungen ſind ver-
geblich, ſie machen ihn vielmehr aͤrger.
Der Herr findet ſich gezwungen, ihn ab-
zuſchaffen. Er will aber nicht gerne das
Anſehen haben, daß er einen alten Bedien-

ten
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0258" n="238"/>
zu bewegen, &#x017F;ein Volk fahren zu la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Er wußte nun zwar, daß die&#x017F;er Zweck nicht<lb/>
erhalten, und die&#x017F;e Gu&#x0364;te vielmehr eine Ur-<lb/>
&#x017F;ache einer gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern Verha&#x0364;rtung bey dem<lb/>
Pharao werden wu&#x0364;rde. Es i&#x017F;t inde&#x017F;&#x017F;en<lb/>
dadurch die&#x017F;es offenbar worden, daß Gott<lb/>
gerne auf die liebreich&#x017F;te Art mit dem Men-<lb/>
&#x017F;chen verfahre, und es i&#x017F;t dadurch die Eh-<lb/>
re Gottes von dem An&#x017F;ehen aller Ha&#x0364;rte ge-<lb/>
rettet worden. So bald wir die&#x017F;es an-<lb/>
nehmen, fa&#x0364;llt alles wider&#x017F;prechende in dem<lb/>
Betragen Gottes gegen den Pharao hin-<lb/>
weg. Ferner hatte Pharao und &#x017F;ein Volk<lb/>
durch ihre Tyranney &#x017F;ich vor Gott &#x017F;trafbar<lb/>
gemacht, und der Heilig&#x017F;te hatte be&#x017F;chlo&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, &#x017F;ie zu einem be&#x017F;ondern Exempel &#x017F;einer<lb/>
Rache darzu&#x017F;tellen. Hier rieth aber die<lb/>
Weisheit, was &#x017F;ie jenem ver&#x017F;ta&#x0364;ndigen<lb/>
Hausvater an die Hand giebet. Selbiger<lb/>
hat einen Bedienten, der viele Jahre bey<lb/>
ihm gewe&#x017F;en, und daher viele Liebe von<lb/>
&#x017F;einem Herrn geno&#x017F;&#x017F;en. Die&#x017F;e aber macht<lb/>
ihn nach und nach hochmu&#x0364;thig und eigen-<lb/>
&#x017F;innig, und er fa&#x0364;nget an, nicht nur u&#x0364;ber<lb/>
die andern Bedienten mit Unge&#x017F;tu&#x0364;m zu<lb/>
herr&#x017F;chen, &#x017F;ondern &#x017F;elb&#x017F;t der Frau des<lb/>
Hau&#x017F;es zu trotzen. Alle Vor&#x017F;tellungen,<lb/>
alles Bitten und Vermahnungen &#x017F;ind ver-<lb/>
geblich, &#x017F;ie machen ihn vielmehr a&#x0364;rger.<lb/>
Der Herr findet &#x017F;ich gezwungen, ihn ab-<lb/>
zu&#x017F;chaffen. Er will aber nicht gerne das<lb/>
An&#x017F;ehen haben, daß er einen alten Bedien-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ten</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[238/0258] zu bewegen, ſein Volk fahren zu laſſen. Er wußte nun zwar, daß dieſer Zweck nicht erhalten, und dieſe Guͤte vielmehr eine Ur- ſache einer groͤſſern Verhaͤrtung bey dem Pharao werden wuͤrde. Es iſt indeſſen dadurch dieſes offenbar worden, daß Gott gerne auf die liebreichſte Art mit dem Men- ſchen verfahre, und es iſt dadurch die Eh- re Gottes von dem Anſehen aller Haͤrte ge- rettet worden. So bald wir dieſes an- nehmen, faͤllt alles widerſprechende in dem Betragen Gottes gegen den Pharao hin- weg. Ferner hatte Pharao und ſein Volk durch ihre Tyranney ſich vor Gott ſtrafbar gemacht, und der Heiligſte hatte beſchloſ- ſen, ſie zu einem beſondern Exempel ſeiner Rache darzuſtellen. Hier rieth aber die Weisheit, was ſie jenem verſtaͤndigen Hausvater an die Hand giebet. Selbiger hat einen Bedienten, der viele Jahre bey ihm geweſen, und daher viele Liebe von ſeinem Herrn genoſſen. Dieſe aber macht ihn nach und nach hochmuͤthig und eigen- ſinnig, und er faͤnget an, nicht nur uͤber die andern Bedienten mit Ungeſtuͤm zu herrſchen, ſondern ſelbſt der Frau des Hauſes zu trotzen. Alle Vorſtellungen, alles Bitten und Vermahnungen ſind ver- geblich, ſie machen ihn vielmehr aͤrger. Der Herr findet ſich gezwungen, ihn ab- zuſchaffen. Er will aber nicht gerne das Anſehen haben, daß er einen alten Bedien- ten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/258
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/258>, abgerufen am 22.11.2024.