zu bewegen, sein Volk fahren zu lassen. Er wußte nun zwar, daß dieser Zweck nicht erhalten, und diese Güte vielmehr eine Ur- sache einer grössern Verhärtung bey dem Pharao werden würde. Es ist indessen dadurch dieses offenbar worden, daß Gott gerne auf die liebreichste Art mit dem Men- schen verfahre, und es ist dadurch die Eh- re Gottes von dem Ansehen aller Härte ge- rettet worden. So bald wir dieses an- nehmen, fällt alles widersprechende in dem Betragen Gottes gegen den Pharao hin- weg. Ferner hatte Pharao und sein Volk durch ihre Tyranney sich vor Gott strafbar gemacht, und der Heiligste hatte beschlos- sen, sie zu einem besondern Exempel seiner Rache darzustellen. Hier rieth aber die Weisheit, was sie jenem verständigen Hausvater an die Hand giebet. Selbiger hat einen Bedienten, der viele Jahre bey ihm gewesen, und daher viele Liebe von seinem Herrn genossen. Diese aber macht ihn nach und nach hochmüthig und eigen- sinnig, und er fänget an, nicht nur über die andern Bedienten mit Ungestüm zu herrschen, sondern selbst der Frau des Hauses zu trotzen. Alle Vorstellungen, alles Bitten und Vermahnungen sind ver- geblich, sie machen ihn vielmehr ärger. Der Herr findet sich gezwungen, ihn ab- zuschaffen. Er will aber nicht gerne das Ansehen haben, daß er einen alten Bedien-
ten
zu bewegen, ſein Volk fahren zu laſſen. Er wußte nun zwar, daß dieſer Zweck nicht erhalten, und dieſe Guͤte vielmehr eine Ur- ſache einer groͤſſern Verhaͤrtung bey dem Pharao werden wuͤrde. Es iſt indeſſen dadurch dieſes offenbar worden, daß Gott gerne auf die liebreichſte Art mit dem Men- ſchen verfahre, und es iſt dadurch die Eh- re Gottes von dem Anſehen aller Haͤrte ge- rettet worden. So bald wir dieſes an- nehmen, faͤllt alles widerſprechende in dem Betragen Gottes gegen den Pharao hin- weg. Ferner hatte Pharao und ſein Volk durch ihre Tyranney ſich vor Gott ſtrafbar gemacht, und der Heiligſte hatte beſchloſ- ſen, ſie zu einem beſondern Exempel ſeiner Rache darzuſtellen. Hier rieth aber die Weisheit, was ſie jenem verſtaͤndigen Hausvater an die Hand giebet. Selbiger hat einen Bedienten, der viele Jahre bey ihm geweſen, und daher viele Liebe von ſeinem Herrn genoſſen. Dieſe aber macht ihn nach und nach hochmuͤthig und eigen- ſinnig, und er faͤnget an, nicht nur uͤber die andern Bedienten mit Ungeſtuͤm zu herrſchen, ſondern ſelbſt der Frau des Hauſes zu trotzen. Alle Vorſtellungen, alles Bitten und Vermahnungen ſind ver- geblich, ſie machen ihn vielmehr aͤrger. Der Herr findet ſich gezwungen, ihn ab- zuſchaffen. Er will aber nicht gerne das Anſehen haben, daß er einen alten Bedien-
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zu bewegen, ſein Volk fahren zu laſſen.
Er wußte nun zwar, daß dieſer Zweck nicht
erhalten, und dieſe Guͤte vielmehr eine Ur-
ſache einer groͤſſern Verhaͤrtung bey dem
Pharao werden wuͤrde. Es iſt indeſſen
dadurch dieſes offenbar worden, daß Gott
gerne auf die liebreichſte Art mit dem Men-
ſchen verfahre, und es iſt dadurch die Eh-
re Gottes von dem Anſehen aller Haͤrte ge-
rettet worden. So bald wir dieſes an-
nehmen, faͤllt alles widerſprechende in dem
Betragen Gottes gegen den Pharao hin-
weg. Ferner hatte Pharao und ſein Volk
durch ihre Tyranney ſich vor Gott ſtrafbar
gemacht, und der Heiligſte hatte beſchloſ-
ſen, ſie zu einem beſondern Exempel ſeiner
Rache darzuſtellen. Hier rieth aber die
Weisheit, was ſie jenem verſtaͤndigen
Hausvater an die Hand giebet. Selbiger
hat einen Bedienten, der viele Jahre bey
ihm geweſen, und daher viele Liebe von
ſeinem Herrn genoſſen. Dieſe aber macht
ihn nach und nach hochmuͤthig und eigen-
ſinnig, und er faͤnget an, nicht nur uͤber
die andern Bedienten mit Ungeſtuͤm zu
herrſchen, ſondern ſelbſt der Frau des
Hauſes zu trotzen. Alle Vorſtellungen,
alles Bitten und Vermahnungen ſind ver-
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Der Herr findet ſich gezwungen, ihn ab-
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/258>, abgerufen am 22.11.2024.
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