Welt ein Spiegel seiner unendlichen Voll- kommenheiten seyn soll, so beweiset er, daß er auf seiner Seite alles nach Weisheit und Liebe einrichte und nichts unterlasse das vollkommenste, schönste und ange- nehmste zu bewirken, und machen die freyen Geschöpfe gleich durch ihre abwei- chenden Entschliessungen, daß die aller- größte Vollkommenheit, welche sonst an und vor sich möglich gewesen, nicht errei- chet wird, so will doch Gott zeigen, daß er bey seinen Anlagen auf die allergrößte Vollkommenheit gezielet habe.*) So läs- set er zum Exempel nicht nur denen das Evangelium predigen, welche es annehmen, sondern auch solchen, die seine Gnade von sich stossen, um zu zeigen, daß es an ihm nicht liege, wenn viele zum Genuß seiner besondern und seeligmachenden Gnade nicht gelangen. Jch nehme ferner an, daß alle endliche Geister gewisse Oberhäu- pter haben müssen, welche sie in einer ge- wissen angenehmen Ordnung und Ueber- einstimmung erhalten, und daß selbige desto eher erreichet und desto grösser und voll- kommener werde, je weniger der allergröß- ten Oberhäupter sind. Denn je mehr derselben, desto schwehrer wird es, selbige immer zu einem Zweck zu vereinigen, weil
sie
*) 1 B. Mos. Cap. 1. v. 31.
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Welt ein Spiegel ſeiner unendlichen Voll- kommenheiten ſeyn ſoll, ſo beweiſet er, daß er auf ſeiner Seite alles nach Weisheit und Liebe einrichte und nichts unterlaſſe das vollkommenſte, ſchoͤnſte und ange- nehmſte zu bewirken, und machen die freyen Geſchoͤpfe gleich durch ihre abwei- chenden Entſchlieſſungen, daß die aller- groͤßte Vollkommenheit, welche ſonſt an und vor ſich moͤglich geweſen, nicht errei- chet wird, ſo will doch Gott zeigen, daß er bey ſeinen Anlagen auf die allergroͤßte Vollkommenheit gezielet habe.*) So laͤſ- ſet er zum Exempel nicht nur denen das Evangelium predigen, welche es annehmen, ſondern auch ſolchen, die ſeine Gnade von ſich ſtoſſen, um zu zeigen, daß es an ihm nicht liege, wenn viele zum Genuß ſeiner beſondern und ſeeligmachenden Gnade nicht gelangen. Jch nehme ferner an, daß alle endliche Geiſter gewiſſe Oberhaͤu- pter haben muͤſſen, welche ſie in einer ge- wiſſen angenehmen Ordnung und Ueber- einſtimmung erhalten, und daß ſelbige deſto eher erreichet und deſto groͤſſer und voll- kommener werde, je weniger der allergroͤß- ten Oberhaͤupter ſind. Denn je mehr derſelben, deſto ſchwehrer wird es, ſelbige immer zu einem Zweck zu vereinigen, weil
ſie
*) 1 B. Moſ. Cap. 1. v. 31.
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Welt ein Spiegel ſeiner unendlichen Voll-
kommenheiten ſeyn ſoll, ſo beweiſet er, daß
er auf ſeiner Seite alles nach Weisheit
und Liebe einrichte und nichts unterlaſſe
das vollkommenſte, ſchoͤnſte und ange-
nehmſte zu bewirken, und machen die
freyen Geſchoͤpfe gleich durch ihre abwei-
chenden Entſchlieſſungen, daß die aller-
groͤßte Vollkommenheit, welche ſonſt an
und vor ſich moͤglich geweſen, nicht errei-
chet wird, ſo will doch Gott zeigen, daß
er bey ſeinen Anlagen auf die allergroͤßte
Vollkommenheit gezielet habe. *) So laͤſ-
ſet er zum Exempel nicht nur denen das
Evangelium predigen, welche es annehmen,
ſondern auch ſolchen, die ſeine Gnade von
ſich ſtoſſen, um zu zeigen, daß es an ihm
nicht liege, wenn viele zum Genuß ſeiner
beſondern und ſeeligmachenden Gnade
nicht gelangen. Jch nehme ferner an,
daß alle endliche Geiſter gewiſſe Oberhaͤu-
pter haben muͤſſen, welche ſie in einer ge-
wiſſen angenehmen Ordnung und Ueber-
einſtimmung erhalten, und daß ſelbige deſto
eher erreichet und deſto groͤſſer und voll-
kommener werde, je weniger der allergroͤß-
ten Oberhaͤupter ſind. Denn je mehr
derſelben, deſto ſchwehrer wird es, ſelbige
immer zu einem Zweck zu vereinigen, weil
ſie
*) 1 B. Moſ. Cap. 1. v. 31.
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/29>, abgerufen am 21.11.2024.
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